Der ganz normale Wahnsinn nach der Emanzipation

Zwischen Karriere und Kind gibt es keine leichten Lösungen. Dennoch ist Regisseur Robert Thalheim mit „Eltern“ ein außergewöhnlich unterhaltsamer, rührender Film über eine Familienkrise gelungen
von  Michael Stadler

Von einem Spiel wie „Die Reise nach Jerusalem“ kann man etwas übers Leben lernen. Immer geht es im Kreis herum, alle wollen sich setzen und doch fällt einer pro Runde raus, weil einfach immer ein Stuhl zu wenig da ist.

Die Positionen sind eigentlich besetzt in der Familie, von der Robert Thalheim in seinem neuen Film „Eltern“ erzählt: Vater Konrad (Charly Hübner) hat jahrelang als Hausmann auf die zwei Töchter aufgepasst, seine Frau Christine (Christiane Pauls) verdient als Anästhesistin den Unterhalt und hat Aussichten, zur Oberärztin aufzusteigen. Von allen anderen Frauen wird sie beneidet. Was für einen tollen Mann sie habe, meint eine der Mütter zu ihr, während Konrad zum 5. Geburtstag seiner Tochter mit allen eingeladenen Kindern spielt. „Die Reise nach Jerusalem“ zum Beispiel, in einem Roboterkostüm mit Herz.

Doch ein Umbruch steht an: Konrad wird Anfang der Woche in seinen alten Beruf wieder einsteigen, als Theaterregisseur auf einer mittelprächtigen Bühne Hebbels „Nibelungen“ inszenieren. Bis zur ersten Probe hat Thalheimer die Familienverhältnisse pointiert etabliert, um sie dann mit einer konstruierten Wendung aufzubrechen: Denn eigentlich haben Konrad und Christine alles organisiert, damit beide arbeiten können. Doch das Au-Pair-Mädchen aus Argentinien erweist sich als wenig geeignete Betreuerin.

So müssen die Eltern improvisieren, und plötzlich zeigt sich, dass die Karrieremutter ungern Abstriche in ihrem Job machen will und die Theaterambitionen ihres Mannes, die so lange geruht haben, gar nicht richtig ernst nimmt. In der Organisation Kind und Arbeit zieht Konrad zunächst den Kürzeren, auch die Rückkehr zur Regie erweist sich als problematisch: Seine Strichfassung von Hebbels Stück passt nicht jedem der Schauspieler.

Konrad muss heftig durchgreifen, und seine Frau sich der Angst vor den eigenen, wenig vertrauten Kindern stellen. Thalheim hat das Drehbuch mit Jane Ainscough geschrieben, das Bemühen um eine Balance der männlichen und weiblichen Position ist spürbar und sie gelingt.

Der Vater weiß, mit welchen Strategien man die Kinder zähmt, die Mutter muss das noch lernen. Paraschiva Dragus und Emilia Pieska spielen prima die eigenwilligen Töchter, mal süß, mal anstrengend. Die Kleinen müssen früh Verantwortung übernehmen, während die Eltern zwischen den Stühlen, Karriere und Kind, sitzen. In seinem Lebenstext muss man einfach mal beherzt was streichen – und auch dabei bleiben. Das könnte eine Lektion aus Thalheims Film sein, der so unterhaltsam und rührend ist, dass man mitfiebert und zwar mit allen.

R: Robert Thalheim (D, 90 Min.); Kino: ABC, City, Monopol

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.