Der Caesar unserer Info-Gesellschaft

Danny Boyle erzählt in „Steve Jobs“ von drei Wendepunkten im Leben des Apple-Genies, insbesondere erhält der Zuschauer aber Einblick in das Innenleben des intelligenten Unternehmers.
Florian Koch |
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Kann man genial veranlagt und dabei anständig sein? Oder widerspricht es sich, ein innovatives, auf Gewinnmaximierung ausgelegtes Milliarden-Unternehmen zu führen und darüber hinaus auch noch Mitgefühl für Mitmenschen und -Arbeiter aufzubringen?

Um diese Frage dreht sich die ungewöhnliche Filmbiografie „Steve Jobs“. Dabei wird nicht, wie es der schlichte Titel suggeriert, die Lebensgeschichte des Apple-Mitbegründers erzählt. Im Gegenteil, seine berühmten Präsentationen, seine Beteiligung am Animationsstudio „Pixar“ und technische Innovationen wie der iPod bleiben wie seine tödliche Krebserkrankung außen vor. Mit dieser Kunst des Weglassens verfolgen Regisseur Danny Boyle („Slumdog Millionär“) und Starautor Aaron Sorkin („The Social Network“) ein Ziel: Sie wollen dem zu seiner Lebzeit nur schwer durchschaubaren Menschen Jobs die PR-Genie-Maske herunterreißen, das Passwort zu seinem Innenleben entschlüsseln.

 

Darf ein Genie unempfindlich für das Menschliche sein?

 

Basierend auf Walter Isaacsons Biografie entwerfen sie dafür einen Dialogfeuerwerk-Dreiakter, der Jobs an drei entscheidenden Innovations-Wendepunkten zeigt: 1984 bei der Enthüllung des Macintosh, 1988 nach seiner kurzzeitigen Apple-Entlassung bei der Präsentation des Uni-Computers NeXT und schließlich 1998 seine triumphale Rückkehr mit dem iMac.

Die Zuschauer bekommen von diesen Computer-Nerd-Events direkt nichts mit, dürfen bei den Vorbereitungen aber jeweils hinter die Designer-Kulissen blicken.

Das bedeutet 40 Minuten Chaos, Stress, Wortgefechte, alles in Bewegung, alles (scheinbar) in Echtzeit. Wir erleben anfangs einen Steve Jobs (mehr als nur ein solider Ersatz für den ursprünglich vorgesehenen Leonardo DiCaprio: Michael Fassbender, der getrieben ist vom Perfektionismus, seine Mitarbeiter rund macht, nur damit der Rechner die Gäste auch mit einem „Hello“ begrüßen kann. Zu kurz kommt dabei seine Ex-Freundin, die ihre gemeinsame Tochter vorschiebt, um endlich Aufmerksamkeit und ja, auch finanzielle Entschädigungen zu bekommen. Doch Jobs reagiert unwirsch, genervt, misstraut ganz offen seiner Vaterschaft. Nur seine helfende Hand, Marketing-Managerin Joanna Hoffman (mit Riesenbrille kaum zu erkennen: Kate Winslet), kann die Eskalation verhindern.

 

Steve Jobs und der Cäsar-Vergleich

 

Doch auch vier Jahre später hat das Computergenie, das sich mit Julius Cäsar vergleicht, weil es sich von Feinden umzingelt fühlt, nicht an Charme gewonnen. Der NeXT-Entwurf steht im Fokus, ein Racheakt gegen Apple, ein Beweis für die Schaffenskraft von Jobs.

Weniger zu schaffen hat er weiterhin mit seiner größer werdenden, technikaffinen Tochter und ehemaligen Mitstreitern wie Apple-Mitbegründer Steve Wozniak (Seth Rogen). Dessen Appelle, auch die Leistungen seiner Mitarbeiter zu würdigen, Größe zu zeigen beim Comeback 1998 stoßen auf taube Ohren.

Jobs bleibt bis zum aufgesetzt wirkenden Schmalz-Schluss ein Egomane, ein Mann, bei dem das Produkt, das Fortschrittsstreben über allem, auch den Menschen, steht.

Es verwundert daher nicht, dass ein solch intellektuell-unterkühltes, durch die Bank brillant gespieltes Porträt eines Getriebenen von den US-Kritikern gefeiert wurde, an den Kinokassen aber unterging. Womit der Film dann doch noch etwas mit Steve Jobs erstem großen Wurf, dem Macintosh, gemein hat.

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