Der Alpenwestern "Das finstere Tal" in der AZ-Kritik

„Das finstere Tal“ ist ein Alpenwestern von Andreas Prochaska, aufgeladen mit bezwingenden Bildern und mit klassischer Spannung
Adrian Prechtel |
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Man stelle sich vor, die Omertà, das alles erstickende Schweigegelübde des totalitären Mafiasystems, und der brutal archaische Brauch der „prima nox“, das „Recht“ des Landesherrn, eine Braut noch vor der Hochzeitsnacht mit dem Bräutigam selbst zu entjungfern, kommen zusammen: und das in einem Bergdorf am Beginn des 20. Jahrhunderts.

Regisseur und Drehbuchautor Andreas Prochaska hat daraus einen Sergio-Leone-Alpenwestern gemacht mit Tobias Moretti als Henry-Fonda-Bandenboss und Sam Riley als Charles-Bronson-Rächer, aber befreiend bubihaft.

Der kommt als Fremder aus der weiten US-Welt zurück in die verhärmt abgeschlossene, totalitär vom Brenner-Clan terrorisierte Dorfwelt auf eisigen 1500 Metern Höhe und bittet um ein Quartier über den Winter. Fotografieren will er. Und auch wenn die Brenner-Brüder diesen schweigsamen jungen Mann mit dem undurchdringlichen Blick im Babyface gleich bei seiner Ankunft schikanieren, lässt er sich nicht beirren.

Die Alpen sind wie die Rockys

Es ist klar: Dieser Mann verfolgt irgendeine Mission. Sein Schweigen lässt Gewalt ahnen: „Nicht reden, heißt nicht, vergessen haben!“, sagt er nur. Aber was hat er nicht vergessen? Und plötzlich geschehen wie zufällig Unfälle in Eis und Schnee – beim gefährlichen Holzschlagen, bei der Wilderer-Jagd. Und immer ist der Tote einer der Brenner-Söhne.

Die Kunst von „Das finstere Tal“ nach dem Roman von Thomas Willmann besteht darin, die spannende, aber klassische Abrechnungsgeschichte massiv ästhetisch aufzuladen: Da sieht ein Wegekreuz wie ein Galgen aus, ist das Hochzeitsessen wie eine Henkersmahlzeit inszeniert, werden Goldmünzen zu Hostien aufgeladen, ist der altertümliche schwarze Fotoapparat wie ein „Spiegel mit Gedächtnis“. Die Alpen wirken wie die Rockys, nur enger, die Felswände sind wie Sperrmauern.

Irgendwie gibt es optisch zuviel Pferde, Hüte und Gewehre. Der Dialekt ist zu reiner Färbung abgemildert, und die Total-Slow-Motion beim Show-Down wirkt fast wie eine Persiflage.

Man kann das manieriert finden und fragen, ob bei dieser starken Western-Stilisierung die Alpen als Ort nicht unpassend sind. Aber alle Bilder sind bezwingend. Die Winterkälte ist fantastische Metapher für die wortkarge Angststarre, die über dem Dorf liegt. „Das finstere Tal“ ist auch eine düstere Psychoanalyse über das Funktionieren von Terror-Regimen durch Einschüchterung, Gruppenzwang, einem Belohnungssystem, dem Kick der Macht und Duckmäusertum.

Kino: Eldorado, Monopol, Münchner Freiheit, Rio, R: A. Prochaska (D, A 115 Min.)

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