"Das Leuchten der Erinnerung" - Die Schönheit in der Dämmerung

Berührend, heiter und ernst zugleich: Helen Mirren und Donald Sutherland im meisterhaften Film „Das Leuchten der Erinnerung“ von Paolo Virzi.
Adrian Prechtel |
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Auf der Fahrt nach Florida: Ella (Helen Mirren) und John (Donald Sutherland) an der Tür ihres alten Wohnmobils.
Concorde Auf der Fahrt nach Florida: Ella (Helen Mirren) und John (Donald Sutherland) an der Tür ihres alten Wohnmobils.

Berührend, heiter und ernst zugleich: Helen Mirren und Donald Sutherland im meisterhaften Film "Das Leuchten der Erinnerung" von Paolo Virzì.

Es gibt im Kino zwei Arten der aufwühlenden Rührung – und sie sind krasse Gegensätze: Einmal geht man machtlos, aber spürbar künstlich einem Überwältigungskitsch auf den Leim. Im anderen Fall sind es – zwar ebenfalls gespielte – aber in ihrer Darstellung wirklichkeitswahre Gefühle, die uns bewegen. Und Helen Mirren und Donald Sutherland schaffen dies so natürlich, echt und unaufdringlich in einer ganz einfachen und von Paolo Virzì kitschfrei, aber intensiv erzählten Geschichte.

Es ist die Fahrt eines alten Ehepaars in ihrem Wohnmobil aus den 70ern zu Hemingways Haus in Key West, Florida. Denn John war Literaturprofessor an einem College. Und Ella, seine Frau, will ein letztes Mal mit ihrem John eine Überlandreise machen, bevor seine Krankheit gänzlich die Kontrolle über das Eheleben übernimmt. Denn John hat Alzheimer.

Roadtrip als abenteuerliche Gedächtnisreise

Auf diesem Roadtrip als abenteuerliche Gedächtnisreise spielt sich alles ab: wie die große Liebe des Ehepaars, das nicht leugnet, dass es miteinander nicht immer einfach war. Oder sein Wunsch, noch einmal das Steuer in die Hand zu nehmen, was aber mit seiner partiellen Desorientierung kollidiert, was sie wiederum liebevoll überspielt. Auch sein Charisma als Lehrer blitzt charmant auf, wenn die beiden zufällig auf ehemalige Studenten von John treffen. Und Ella versucht abendlich auf Campingplatzstationen durch Diaprojektionen von vergangen Familienfeiern und Urlauben seine zufälligen Erinnerungs-Brocken wieder zur gemeinsamen Lebensgeschichte zusammenzusetzen.

"Das Leuchten der Erinnerung" leugnet die Grausamkeit von Krankheiten nicht. Er bemerkt seinen zunehmenden "Honig im Kopf" und sie weiß um ihre Krebserkrankung. Und dennoch ist dieser Film von einer umwerfend gelungenen Balance aus Heiterkeit und Ernst. Das gelingt durch große Warmherzigkeit – des Filmes und der Ehefrau, die Helen Mirren spielt. Sie ist erkennbar auch eine Frau der 70er Jahre, als sich klassisches Rollenmuster und Emanzipation noch angenehm die Waage hielten.

Dem Paar begegnet auch die Gegenwart

Am Wegesrand begegnet dem Paar wie beiläufig die amerikanische Gegenwart: als Wahlkampfkundgebung von Donald Trump, in die sich John – sein Leben lang ein liberaler Demokrat – verspielt verirrt, oder ein kleiner Raubüberfall von verdrogten Teenagern. Auch die überarbeiteten erwachsenen Kinder von Ella und John kommen vor mit ihrem schlechten Gewissen gegenüber ihren Eltern, das sie mit hysterischem Sicherheitsdenken überspielen, während die Eltern auf einem letzten Flower-Power-Trip sind. Und der bricht am Ende sogar noch ein Tabu.

Dass Paolo Virzì dabei ein wacher und sensibler Europäer ist, empfand auch Helen Mirren als Bereicherung: "Es war wunderbar erhellend mit einem klugen italienischen Regisseur auf die USA zu blicken", sagte sie bei der bejubelten Premiere beim Filmfestival in Venedig. Und vielleicht sehen sich Virzì, Mirren und Donald Sutherland ja bei der Oscargala auf der Bühne wieder? Denn "Das Leuchten der Erinnerung" ist klassisch kunstvoll erzählt, ruft große Gefühle und Lebensfragen auf. Und weil alles hier so ehrlich und unkitschig ist, sieht man großes Kino.


Kinos: Solln, Leopold sowie City, Monopol, Rio (alle auch OmU), Museum-Lichtspiele (OV), Regie: Paolo Virzì (F / I, 113 Min.)

Wir verlosen fünf Pakete zum Film, jeweils mit dem Roman "Das Leuchten der Erinnerung" von Michael Zadoorian und zwei Kinokarten. Wer gewinnen will, schreibt bis 8. Januar eine Postkarte an Abendzeitung Kultur, Garmischer Straße 35, 81373 München, Stichwort: "Das Leuchten der Erinnerung", oder eine E-Mail an kultur@az-muenchen.de

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