„Das kalte Herz“: Das Wesen der Gier

Die Märchenverfilmung „Das kalte Herz“ ist weniger beängstigend als die Version von 1950.
von  Andreas Fischer
Traumhaft wär’s für Peter (Frederick Lau), mit der schönen Lisbeth (Henriette Confurius) zusammenzuleben.
Traumhaft wär’s für Peter (Frederick Lau), mit der schönen Lisbeth (Henriette Confurius) zusammenzuleben. © Herzkino

Die Märchenverfilmung „Das kalte Herz“ ist weniger beängstigend als die Version von 1950.

Ein Herz aus Stein muss einer haben, der es zu etwas zu bringen will: Emotionaler Ballast ist nun mal hinderlich, wenn man viel Geld verdienen will. Johannes Naber hat Wilhelm Hauffs Märchen „Das kalte Herz“ verfilmt und in eine düstere Parabel über das Wesen der Gier übersetzt.

Darin fristet der junge Köhler Peter (Frederick Lau) ein ärmliches, aber ehrliches Dasein im Schwarzwald. Die dreckige Arbeit wirft nicht viel ab. Peter träumt von einem Leben in Saus und Braus – und mit der schönen Lisbeth (Henriette Confurius) an seiner Seite.

Kein Interesse an sozialer Gerechtigkeit

Doch der Weg aus dem Prekariat ist Peter verstellt. Der Holzfäller Etzel (Roeland Wiesnekker) und sein Sohn Bastian (David Schütter), aber auch Lisbeths Vater (Sebastian Blomberg), ein Glasmacher, horten das Geld und haben kein Interesse an sozialer Gerechtigkeit. Johannes Naber verwendet zu Beginn des Films viel Zeit darauf, unmissverständlich klar zu machen, wer zur Unterschicht gehört und warum ein sozialer Aufstieg ohne Zauberei unmöglich ist.

Peter bleibt in seiner Verzweiflung nichts anderes übrig, als sich an die Waldgeister zu wenden: Das herzensgute Glasmännchen (Milan Peschel) erfüllt ihm sogar drei Wünsche, die sich für Peter finanziell kurzfristig auszahlen, auf lange Sicht aber als töricht erweisen. Erst als Peter beim finsteren Holländer-Michel (Moritz Bleibtreu) sein Herz gegen einen Stein eintauscht, wird er zum gemachten Mann. – mit hohen Kosten.

Der Vergleich zu Verhoevens Klassiker "Das kalte Herz" drängt sich auf

Natürlich muss sich Naber dem Vergleich mit dem Defa-Klassiker von 1950 stellen: Paul Verhoeven hatte „Das kalte Herz“ als beängstigende Horrormär inszeniert und Peters Wandlung vom Paulus zum Saulus – und zurück – in den Mittelpunkt gestellt.

Naber hingegen interessiert sich mehr für das gesellschaftliche Umfeld, in dem nur die Kaltblütigsten überleben. Dass er „Das kalte Herz“ zugleich als ambitionierten Fantasyfilm inszeniert, nimmt ihm den Bezug zur Realität und schwächt somit auch die Schärfe seiner unverhohlenen Kapitalismuskritik ab.

Der Regisseur schlägt beim Einsatz von Kostümen, Masken und technischen Tricks öfter über die Stränge, und vor allem seinem Hauptdarsteller lässt er zu viele Übertreibungen durchgehen. Für leise Zwischentöne fehlte ihm der Mut: Das wird besonders in der Szene deutlich, in der sich Peter nach einem Todesfall an sein Herz erinnert. Er muss zurück zum Holländer-Michel – kein wirkliches Problem: Moritz Bleibtreu ist weit weniger furchteinflößend als es Erwin Geschonneck vor 66 Jahren war.


Kino: Monopol

R: Johannes Naber (D 2016, 119 Min)

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