"Das Böse ist in mir"
Paris, Hamburg oder München – Stefan Konarske fühlt sich überall zuhause. Mit der AZ spricht er über den "Fünf Freunde 2"-Dreh, Pubertät und Angstzustände vor Theaterauftritten.
AZ: Herr Konarske, man kann Sie durchaus als frankophil bezeichnen. Schon mit 17 Jahren sind Sie nach Paris ausgewandert, spielen immer noch dort Theater. Wie haben Sie Ihre Eltern überzeugt, Sie ziehen zu lassen?
STEFAN KONARSKE: Ich habe ihnen – das muss ich gestehen – mein Vorhaben ein bisschen als Lüge verkauft. Meine schulischen Leistungen waren nicht gerade vorzeigbar. Also schlug ich vor: ich gehe nach Paris, lerne dort Französisch und Musik, komme nach einem Jahr wieder und mache ein Bomben-Abi. An meinem 18. Geburtstag verkündete ich dann: Ich bleibe in Paris – mein ursprünglicher Plan. Ich nahm mir eine Wohnung – und vier Wochen vor dem Abi schmiss ich hin.
Ihre Eltern werden Luftsprünge gemacht haben!
Es war eine schwierige Zeit für mich, weil meine Großmutter damals starb. Nach ihrer Beerdigung bin ich zurück nach Paris und konnte sechs Wochen lang gar nichts mehr machen, weil ich meine Trauer in der fremden Sprache nicht verbalisieren und somit verarbeiten konnte. Meine Zeit in Frankreich war vom Gefühl her vorbei.
Sie hatten eine enge Beziehung zu Ihrer Großmutter – sie war es auch, die Ihnen die Schauspielerei prophezeite.
Genau, obwohl ich nie in die Richtung wollte – ganz im Gegenteil. Damals hat mich die Arbeit in einer deutsch-französischen Werbeagentur interessiert. Ein Bekannter brachte mich dann aber zum Theater – und da blieb ich erstmal.
Und erweckten schnell die Aufmerksamkeit von Regisseuren wie Detlev Buck, Markus Imboden oder Uwe Janson, weil Sie eine besondere Art zu spielen haben sollen – wie spielen Sie denn?
Das Theater ist für mich das positive aber auch negative Reiben an Menschen, um deren Gegen- und Abbilder zu produzieren. Und das liegt mir vielleicht mehr als dem ein oder anderen Schauspieler. Ich arbeite gern mit negativen Energien und versuche, ihnen eine positive Seite zu geben.
Klingt kryptisch, ist aber gut zu erkennen bei Ihrer Bösewicht-Rolle in „Fünf Freunde 2“, die Sie fast schon psychopatisch-cholerisch auslegen.
Das ist das Spannende an „Max“. Er ist sowohl Täter als auch Opfer und durchlebt eine Entwicklung, bei der man das Negative und das Positive zeigen muss. Der Zuschauer sieht so die Komik, aber auch die Tragik der Figur, gegen die sich dann sogar kurz der eigene Bruder auflehnt.
War da viel Vorarbeit von Nöten?
Eigentlich gar keine. Böse Rollen habe ich schon so oft gespielt, dass ich mir zu dieser Figur keine großen Gedanken machen musste – zumal es sich ja um einen Kinderfilm handelt und ich das Böse mit angezogener Handbremse spiele. Und dann ist da ja noch mein Äußeres, das per se für Bösewichte prädestiniert zu sein scheint.
Größere Herausforderung war da wohl die Zusammenarbeit mit Ihren kleinen Schauspiel-Kollegen.
In der Tat. Mit Kindern als Kollegen muss man intensiver kommunizieren und spielen als mit Erwachsenen. Da muss man 150 Prozent geben, sonst kommt keine Reaktion. Gerade, weil bei manchen sich mittlerweile auch die Pubertät bemerkbar macht und da besondere Vorsicht im Umgang geboten ist – eine sehr interessante Erfahrung.
Interessant, weil Sie einen Spiegel der eigenen Widerstands-Phase vorgesetzt bekommen haben?
Die Dreharbeiten haben mich schon zurück versetzt, wobei ich meine pubertären Verfehlungen gern verdränge – aus Scham. Ich hatte aber ein Erlebnis mit einem Freund meiner Eltern, der bei einem Wiedersehen nach Jahren erstaunt feststellte, dass ich ja wahnsinnig nett sei. Er hatte mich von früher nur als „unerträgliches Kind“ im Kopf – eine ganz neue Sichtweise auf mein damaliges Ich als Heranwachsender.
Selbstreflektion gehört mittlerweile aber zum festen Bestandteil Ihres Schauspiel-Repertoires – Segen oder Fluch?
Beides. Ich arbeite gern mit frühkindlichen oder -jugendlichen Prägungen, setze mich oft mit meinem Tun und Schaffen auseinander. Das kann aber durchaus ein kräftezehrender Prozess sein. Nach Uwe Jansons „Werther“ habe ich deshalb auch erstmal vier Wochen meine Wohnung in Hamburg saniert – Wände eingeschlagen und Fußböden verlegt. So banal das klingt, aber das Handwerkliche hat mir den Kopf wieder frei gemacht.
Sie haben sowohl beim Film als auch beim Theater schon in vielen Produktionen mitgewirkt – was geht Ihnen denn vor einer Aufführung durch den Kopf?
Angst. Früher zwar mehr als heute. Aber als ich zum Beispiel in Berlin 2006 die griechische Tragödie „Orestie“ gespielt habe, war mir vor jeder Vorstellung so schlecht, dass meine Garderobiere schon ganz besorgt war. Das ist die Schizophrenie des Berufs – man weiß, da kann nichts schief gehen, schließlich hat man sieben Wochen lang geprobt – und doch bleibt eine gewisse Demut vor dem Moment des Auftritts.