Daniel Sponsel über das Münchner Dok.Fest 2018

Seit Daniel Sponsel 2009 die Leitung des Münchner Dok.Fest übernommen hat, ist die Publikumsresonanz deutlich gestiegen – auch die Akzeptanz in der Fachwelt. Denn das Dok.Fest ist ein quer über die Stadt verteiltes Ereignis.
AZ: Herr Sponsel, Dokumentarfilme sind längst kein Nischenprodukt für beflissene Studienräte mehr, oder?
DANIEL SPONSEL: Mein Anliegen war es auch immer, das Festival zu öffnen. Das erreicht man natürlich auch durch Programmierung: „Die Nummer 1 – Deutschlands große Torhüter“ wird da ein anderes Publikum ziehen als unser Film über Frauen in Burkina Faso, die ganz emanzipiert Automechanikerinnen werden wollen.
Teenies sind sicher generell schwer als Publikum zu bekommen?
Ja, auch wenn wir extra einige Filme als „Dok 4 Teens“ gekennzeichnet haben. Musikfilme können da vielleicht manchen hinter dem Smartphone hervorlocken. Wir haben einen Film über Jesper Munk „For In My way It Lies“ oder über den Weltstar „M.I.A.“. Auch um Chili Gonzales dreht sich ein Film, und für wieder ein anderes Publikum haben wir die Spurensuche nach dem verschwundenen Bossa-Nova-Heroen Joao Gilberto.
Und dann binden Sie absichtsvoll andere Institutionen ein.
Ja, um Menschen zu erreichen, die vor allem andere Kulturformen besuchen. Zum ersten Mal ist das Ägyptische Museum dabei. Aber dort zeigen wir eben keinen verstaubten Archäologiefilm, sondern einen über den Sudan: „We Were Rebels“.
Es gibt ja dieses Männerklischee über Dokumentarfilmfest-Besucher.
Nach unseren Erhebungen war unser Publikum zuletzt zu 52 Prozent weiblich und meist im Alter zwischen 20 und 50 Jahren.
Mit noch knapp unter 50 000 Besuchern ist das Dok.Fest München nach Leipzig das größte in Deutschland. Wie ist da die Konkurrenzsituation?
Geringer als man denkt, schon weil wir ein halbes Jahr terminlich auseinander liegen und geografisch auch weit voneinander entfernt sind. Aber natürlich geht es um die selben Fördertöpfe und die Frage, auf welchem Festival die Branche die Premiere ihrer Filme haben will.
Im vergangenen Jahr sind allein in Deutschland über 100 Dokumentarfilme im Kino gestartet. Ist das ein gutes Zeichen?
Erst einmal ist das ein Zeichen, dass der Dokumetarfilm immer stärkere Aufmerksamkeit bekommt. Aber insgesamt starten mit 600 Filmen im Jahr natürlich viel zu viele Filme, die sich gegenseitig Zuschauer und Aufmerksamkeit streitig machen.
1037 Filme sind bei Ihnen eingerecht worden, 150 werden am Dok.Fest gezeigt.
Ich kann davon natürlich nicht alle zuvor angeschaut haben, sondern treffe mit meinem Programmteam die Auswahl. Am Beginn des Fests habe ich dann aber so 100 Filme auch selbst gesehen.
Und was müssen die 150 gezeigten Filme mitbringen?
Es zählt die Qualität: inhaltlich und filmisch. Es geht ja nicht um Dokumentationen oder Reportagen, sondern wirklich um Filme für die große Leinwand.
Kann man an Dokumentarfilmen gut den Zeitgeist und die Fragen der Zeit ablesen?
Sicher, aber mit einer gewissen Verzögerung, die Konzipieren, Beobachten, Filmen, Schneiden und Produzieren mit sich bringen. Der Spruch „Nach der Flüchtlingswelle kommt die Flüchtlingsfilmwelle“ stimmt, aber wir sind da auch schon einen Schritt weiter. Flucht ist weniger das Thema, jetzt sind es eher schon die Themen Ankommen und Integration oder Verweigerung und Scheitern. Eine große Rolle spielt immer der Nahe Osten mit seinen Konflikten und Kriegen – und jetzt sind viele kapitalismus-kritische Filme dabei wie „System Error“. Oder Internetkonzerne und Digitalisierung werden verstärkt unter die Lupe genommen wie in „The Cleaners“ über die Facebook-Zensoren.
Wie wünschen Sie sich einen Dok.Fest-Besucher?
Neugierig. Die Frage ist ja immer: Wie wurde jemand aufmerksam? Also durch Zeitung, Radio, Werbung. Und wer da die erste Schwelle überwindet, wird im Programm blättern.
Aber niemand liest doch 150 Kurzbeschreibungen.
Aber man schmökert, sucht in bestimmten Reihen, die themantisch zu einem passen. Oder jemand schaut nach einem bestimmten Tag, an dem er beschließt, aufs Dok.Fest zu schauen.
Sie haben einen Etat von 1,1 Millionen Euro. Was würden Sie machen, wenn plötzlich viel mehr Geld da wäre?
Natürlich auch die harte Mitarbeitersituation verbessern. Dann muss man den Event-Charakter stärken, indem man mehr Regisseure und Protagonisten einlädt. Das Publikum liebt es, dass man nach einem Dokumentarfilm noch reden und Fragen stellen kann. Aber vor allem würde ich die Kommunikation nach außen ausbauen. Amsterdam hat im Großraum etwas weniger Einwohner als die Metropolregion München, aber ein Dokumentarfilmfest mit 270 000 Besuchern und einem Etat von rund vier Millionen Euro. Selbst Kopenhagen hat bei seinem Festival 120 000 Zuschauer. Da sieht man, was mit mehr Geld möglich wäre.
Mi, 2. – So, 13 Mai
Festivalkinos: City / Atelier: Sonnenstr. 12 Gasteig, Carl-Amery-Saal Filmmuseum: Jakobsplatz Neues Maxim: Landshuter Allee 33 Rio Filmpalast: Rosenheimer Straße 46 HFF München: Bernd-Eichinger-Platz 1 l Tickets sind im Vorverkauf bis 12 Uhr am Tag der Vorstellung oder Veranstaltung erhältlich, danach an der Abendkasse des Kinos.
Preise: Regulär: 9,50 Euro, Ermäßigt: 7,50 Euro
5er Ticket: 35 Euro / 27,50 Euro, Festivalpass: 80 Euro l Reservierung: % 54 81 81 81, www.dokfest-muenchen.de oder www.muenchenticket.de
Ticketschalter: Festivalzentrum: HFF München und Filmmuseum sowie City Kino l Das Dok.fest präsentiert neun Dokumentarfilm-Premieren im Deutschen Theater und spielt an weiteren 12 Orten der Stadt