Crevetten und Mandarinen

Der Italiener Silvio Soldini hat mit "Die verborgenen Farben der Liebe" einen klassischen Liebesfilm geschaffen, der einfach schön ist, ohne flach zu sein.
Adrian Prechtel
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Liebe macht sehend: Valeria Golino als blinde Osteopathin und Adriano Giannini als bindungsscheuer Werbegrafiker.
Liebe macht sehend: Valeria Golino als blinde Osteopathin und Adriano Giannini als bindungsscheuer Werbegrafiker. © Good!Movies

Am Anfang tappt man im Dunkeln: Der Bildschirm ist schwarz, man hört Stimmen in einer Art Interviewsituation. Dann verlässt ein gut aussehender, nicht mehr ganz junger Mann die Dunkelkammer durch eine rotsamtene Vorhangtür.

Und eine gewisse - gewollte - Verwirrung bleibt noch für ein paar Minuten. Denn dieser Teo (Adriano Giannini) trifft eine verheiratete Frau, mit der er schläft, er fährt mit der Vespa in eine (seine?) Wohnung, wo eine Frau auf ihn wartet, die seine Frau (oder Lebensgefährtin?) zu sein scheint.

Drei Frauen an einem Tag

Aber dann geht er, spätabends, weiter in eine dritte Wohnung, die ganz nach einer Junggesellenwohnung ausschaut. Und wirklich, Teo lebt hier mit seinem treuen Staubsaugerroboter, und später, als eine weitere Frau, Emma, ihn besucht, stellt sich heraus, dass es in der Küche nur Crevetten und Mandarinen in Dosen zu Essen gibt. Aber diese Emma (der italienische Star Valeria Golino) verspricht lachend, daraus etwas Schönes für sie beide zu kochen.

Silvio Soldini - Meister des Liebesfilms

Regisseur Silvio Soldini ist der Meister eines klassischen Genres, das meistens misslingt: des romantischen Liebesfilms. Der kommt hier ohne historisches Kostüm, Upper-Class-Kulissen und Jugendreize aus und schildert statt dessen gereiftere Lebenssituationen und Sehnsüchte, die nie übersteigert werden, sondern einfach ganz natürlich, wenn auch romantisch, erzählt werden.

Typisch italienisch: menschliche Milde walten lassen

Denn es ist nicht nur Soldinis Können - von ihm stammt auch der Arthouse-Hit "Brot und Tulpen von 1999 mit Bruno Ganz -, sondern überhaupt ein Merkmal vieler italienischer Filme, dass sie sich durchaus ernster Themen annehmen, aber oft eine gewisse menschliche Milde walten lassen, also den Zuschauer nicht zu stark mit Abgründen und Brutalitäten stressen. Im Fall von "Die verborgenen Farben der Dinge" sind es zwei Lebenskreise, die zueinander kommen: Die Lebenswelt eines Mannes, der nicht erwachsen werden will, mit seiner Familie nicht im Reinen ist, nicht stark genug ist, die bequeme Situation zu verlassen - mit seiner Lebensgefährtin, die er auch noch narzisstisch geschmeichelt betrügt. Teo ist charakterlich kein Sympathieträger, aber auch gerade deshalb eine gute, natürliche Identifikationsfigur.

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Die zweite Lebenswelt ist die von Emma. Emma ist seit Teenagertagen blind. Aber Soldini macht daraus eben kein Sozialdrama. Im Gegenteil hat diese Frau das Leben besser im Griff, lebt sogar sinnlicher, frecher, freier und ist Osteopathin.

Verliebt in die Stimme

Charmanten Witz bezieht "Die Farben der Dinge" daraus, dass Teo zu ihr in die Praxis kommt, weil er sich in ihre Stimme verliebt hat und dann uneingestanden in die ganze Frau. Und sie überrascht ihn mit Selbstbewusstsein und - bis hin zum Ertasten von Farben wie die eines Apfels - Sensibilität. Zwei Dinge, von denen der eben auch erotisch erfolgreiche Werbegrafiker Teo glaubt, sie zu haben, zu denen er aber als moderner Adam genauer betrachtet erst finden muss.

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"Die verborgenen Farben der Dinge" verhandelt bei alledem auch kritische Themen sehr subtil: Ist es anfangs nur die "exotische" Faszination mit einer Blinden zu schlafen, die ihn antreibt? Wird Beziehungsunfähigkeit psychologisch vererbt? Denn der Film deutet seinen zerrütteten Familienhintergrund an.

Ein passender Film für Krisenzeiten

Die romantische Liebeskomödie ist vielleicht allzu klassisch durchgespielt, auch mit der drehbuchartigen Krise durch seine verletzende Unaufrichtigkeit. Aber vielleicht ist man - gerade in Krisenzeiten - dankbar für nicht allzu komplizierte, einfach liebevoll erzählte und gespielte (Liebes-)Geschichten. Und das könnte auch der Grund dafür sein, dass dieser Film, der bereits vor dreieinhalb Jahren auf dem Filmfestival in Venedig gezeigt wurde, erst jetzt in Deutschland herauskommt.


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