"Creed": Rocky Balboas härtester Kampf

Treffen der Generationen: In "Creed" wechselt Sylvester Stallone zwar ins Mentor-Metier, kämpfen muss er als Rocky Balboa aber wie noch nie zuvor.
von  (stk/spot)

Los Angeles - Was hat Rocky Balboa in seiner Karriere als Boxer nicht alles ertragen müssen. Knochenzerschmetternde Schläge, bittere Niederlagen in und abseits der Boxarena und den Verlust seines Freundes Apollo. In "Creed" aber muss Sylvester Stallone (69) alias Rocky seinen härtesten Kampf ausfechten - und das gänzlich ohne in den Ring zu steigen.

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Vom Millionär zum Tellerwäscher

 

1998 eröffnet sich dem unehelichen Sohn von Box-Legende Apollo Creed eine unverhoffte Chance: das straffällige Kind wird im Jugendknast von Creeds Witwe besucht und bekommt von ihr das Angebot unterbreitet, bei ihr zu wohnen. In der imposanten Villa des verstorbenen Sportlers und mit finanzieller Sicherheit im Rücken wächst Adonis "Donnie" Johnson (Michael B Jordan, 28) fortan auf. Doch etwas in ihm sträubt sich gegen ein behütetes Dasein im Schatten seines übergroßen Vaters.

In dubiosen Hinterhof-Boxkämpfen dominiert er die Amateur-Schläger nach Belieben und sucht nach echten Herausforderungen. Doch seine Adoptivmutter ist strikt dagegen, will nach Ehemann Apollo nicht noch einen geliebten Menschen im Ring sterben sehen. Vor die Wahl gestellt, der Box-Karriere endgültig abzuschwören oder sich das Leben in Saus und Braus abschminken zu können, fährt Adonis nach Philadelphia, um sich vom legendären Rocky Balboa trainieren zu lassen.

Der zeigt sich zunächst alles andere als willens, den Heißsporn zu coachen. Schließlich hat er dem Box-Sport vor Jahren den immer noch imposanten Rücken gekehrt. Als er aber erfährt, den Sohn seines Freundes Apollo vor sich zu haben, gibt er dann doch klein bei, nicht ahnend, damit abseits des Rings gleich zwei Kämpfe gleichzeitig austragen zu müssen: Das wilde Temperament gepaart mit der Überheblichkeit von Donnie macht das Training nicht gerade einfach. Und auch der eigenen Vergänglichkeit muss sich der in die Jahre gekommene Box-Star stellen...

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Schweres Erbe

 

Wie es ist, die Nachfolge von etwas anzutreten und dabei kolossal zu scheitern, das musste "Creed"-Hauptdarsteller Jordan unlängst in der Neuauflage von "Fantastic Four" schmerzlich erfahren, jedoch mit einem feinen Unterschied: Bei der Superhelden-Blamage verteilte sich die Häme auf drei weiteren Schultern. Bei "Creed" ist der Druck auf ihn umso höher, die Fußstapfen von Sylvester Stallone deutlich größer. Doch Jordan schafft es, die Mischung aus jugendlichem Größenwahn, latenter Unsicherheit und gutem Herzen, die seinen Charakter auszeichnet, sympathisch zu vereinen. Die Parallelen sind dabei nicht von der Hand zu weisen: Adonis will dem Schatten seines Vaters Apollo entwachsen, Jordan muss selbiges Husarenstück hinsichtlich Stallone schaffen.

Dass dies gelingt, ist ohne Zweifel auch dem bestens aufgelegten Stallone zu verdanken. Der 69-Jährige liefert eine melancholische Darbietung ab, ohne sich ins Rampenlicht zu drängen und seinem Nachfolger so die Show zu stehlen. Vielmehr tut er sein Bestes, Jordan in Stellung für den Beginn seiner ganz eigenen Box-Ära zu bringen. Die Frage, ob Stallone auch dafür taugt, den Mentor zu mimen und andere glänzen zu lassen, kann also bejaht werden. Der Golden Globe als bester Nebendarsteller, den er vor Kurzem für "Creed" überreicht bekam, spricht Bände.

 

Immer drauf!

 

Die "Rocky"-Reihe steht seit jeher für Dramatik im und außerhalb des Ringes. Auch "Creed" macht da keine Ausnahme. Den vielleicht härtesten Kampf muss Rocky darin ohne Fäuste austragen - gegen sein Alter und der eigenen Vergänglichkeit. Der uneheliche Adonis, der seinen Vater nie kennenlernte, will hingegen der Welt beweisen, kein Fehler des umtriebigen Apollos und dem Namen Creed würdig zu sein.

Aber natürlich, was wäre ein Box-Film ohne brachiale Kämpfe und treibenden Trainings-Montagen? Bei Letzteren kann man den Muskeln von Jordan, während er von einer Übung zur nächsten springt, quasi beim Wachsen zusehen. Und auch die Kämpfe sind spektakulär inszeniert, wenn auch nicht derart halsbrecherisch (und unrealistisch) wie in den Vorgänger-Filmen. Wenn sich die Boxer ein ums andere Mal gegenseitig windelweich prügeln und auf Tuchfühlung mit dem Ringboden gehen, fragt man sich schon, wie derart satt wirkende Schläge ohne Gefahr für die Schauspieler inszeniert werden konnten.

 

Was gibt's Neues?

 

Bei dieser Frage liegt die Krux an "Creed". Es ist nun einmal die siebte Ausgabe im "Rocky"-Universum und mit Ausnahme des neuen Boxers, der seine Knochen im Ring herhält, sind eigentlich alle Story-Elemente bei den Kämpfen schon da gewesen. Es gibt schlichtweg nur eine gewisse Anzahl an Ausgängen eines Box-Matches, und die allesamt in den sechs Vorgängern gebührend ausgeschlachtet worden. Natürlich gibt es wieder den unsympathischen Favoriten, der gerne zu unlauteren Mitteln greift. Natürlich gelingt es Adonis, ihn und alle Zweifler von seinen Qualitäten zu überzeugen und letztendlich vom Publikum gefeiert zu werden. "Creed" versucht gar nicht, das Box-Rad neu zu erfinden, und das ist auch gut so - es würde ihm ohnehin nicht gelingen.

 

Fazit:

 

Die altbewährte Geschichte vom Nobody zum gefeierten Box-Star im Verbund mit Stallones neuer Rolle als Mentor - das passt erstaunlich gut zusammen. Stallone lässt Nachwuchs-Schauspieler Jordan genug Platz zum Atmen und überreicht in einem emotionalen Film gekonnt die Fackel für zukünftige Ausgaben. Seine geheimen Höhepunkte hat "Creed" so außerhalb des Rings, aber dafür stand die "Rocky"-Reihe ohnehin schon immer.

 

 

 

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