Christopher Lee: Er war der Meister des Makabren
Mit Geistern und wie man sie ruft, damit kannte er sich aus. Christopher Lee, B-Movie-Superstar, britischer Gentleman der alten Schule. Ein Gelehrter, der ein Dutzend Sprachen beherrschte und die Bücher J.R.R. Tolkiens ebenso verehrte wie die Gedichte Edgar Allen Poes. Vampire, Erzschurken, böse Zauberer: Für viele spielte Christopher Lee diese Rollen nicht nur, er war leibhaftig diese unheimliche, fast zwei Meter große Gestalt, dieser Geist aus einer anderen Welt, der da durch die Filme in die unsere hinübergekommen war. Den Dracula aus dem Roman Bram Stokers wollte er als junger Mann unbedingt spielen. Nur wie das mit Geistern so ist, wenn man sie einmal gerufen hat, wird man sie nur schwer wieder los.
Diese Rolle des Dracula macht Lee weltbekannt. Obwohl die Rolle für ihn nach dem ersten Film erledigt war, ließ er sich von den Hammer Studios zu immer haltloseren Fortsetzungen wie „Dracula - Nächte des Entsetzens“ (1970) und „Dracula jagt Minimädchen“ (1972) überreden. Reißerische Werbung und blutjunge Mädchen sicherten den Erfolg der Reihe. Wie Lee später sagte, spielte er den Blutsauger vor allem deshalb weiter, um die Industrie, die von diesen Filmen mittlerweile abhängig war, nicht zum Erliegen zu bringen. Dabei störte ihn besonders die eigenartige, unterschwellige Sexualität der Figur des Dracula, die er in der Romanvorlage wohl überlesen hatte. Noch heute gelten die Filme aber als echte Kleinode des Horror-Trashs.
Vor seiner Filmkarriere diente der 1922 geborene Lee im Zweiten Weltkrieg, erst bei der Royal Air Force, dann beim britischen Nachrichtendienst. Obwohl oft auf seine Erfahrungen im Krieg angesprochen, antwortete er auf Nachfragen zu dieser Zeit immer knapp. „Ja, er habe Schreckliches erlebt“, hieß es nur. Die Verbindung zwischen dem Krieg und seinen Horrorfilmen wurde oft gezogen - Lee ließ diese Assoziation gerne unkommentiert, wie er generell Vieles über seine Person am liebsten im Vagen beließ.
Mitte der Siebziger machte er schließlich einen Schlussstrich unter die Vampir-Karriere und das Horror-Genre, zog sogar in die USA, um den Imagewechsel zu betonen. Aber auf die Rolle des Schurken war er da schon festgelegt. In dem James-Bond-Abenteuer „Der Mann mit dem goldenen Colt“ (1974) spielte er den Bösewicht Scaramanga. Endlich kein untotes Monster mehr, aber auch dieser Film wartete am Ende mit einem Gruselkabinett auf, als gehörte so etwas zu einem Film mit Lee einfach dazu.
Späte Karriere im Heavy Metal
Lees eigene Lieblingsfilme mit ihm waren das Mystery-Drama „The Wicker Man“ (1973) und die Biografie des pakistanischen Staatsgründers Muhammad Ali Jinnah, in dem der er die Hauptrolle spielte. Bei einer Diskussion am University College Dublin nannte er „Jinnah“ (1998) sein wichtigstes Werk, obwohl der Film international kaum bekannt ist.
Trotz solcher Rollen kehrte Lee aber dem Fantastischen und dem Makabren nie den Rücken. In dem Animationsfilm „Das letzte Einhorn“ sprach er den unheimlichen König Haggard – in der englischen und in der deutschen Fassung. Nicht wenige Filme wurden durch Christopher Lee geadelt. Egal ob als blutrünstiges Monster, als der Fiesling Fu Manchu oder als böser Zauberer: Lee schaffte es stets, seine Figuren stil- und würdevoll zu spielen.
Obwohl er in Hunderten Filmen und Rollen zu sehen war - was ihm sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde einbrachte – war er auch abseits des Filmbusiness aktiv. Lee engagierte sich für Unicef und erschien dafür noch letztes Jahr in Berlin bei einer Benefizgala. 2009 wurde er von der Queen für seine Verdienste zum Ritter geschlagen.
Und als ließe ihn das Dunkle nicht los, egal was er tut, startete Lee mit Ende 80 noch eine kleine Heavy Metal-Karriere, kooperierte mit den Krawallbrüdern von Manowar und nahm unter dem Namen Charlemagne selbst zwei Alben auf.
Vom Horrorhelden zum Megastar wurde Lee schließlich mit seinen Rollen in den „Star-Wars“-Filmen und der „Herr der Ringe“-Trilogie. In der Rolle des bösen Zauberers war er am „Herr der Ringe“-Set der einzige, der J.R.R. Tolkien noch persönlich kennengelernt hatte.
Am Sonntag ist Sir Christopher Lee mit 93 Jahren in London gestorben. Nicolas Freund
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