Christoph Maria Herbst im Interview: "Ich nehme mir digitale Auszeiten"

München - AZ-Interview mit Christoph Maria Herbst: Der 55-Jährige aus Wuppertal ist natürlich mehr als sein Serien-Superhit "Stromberg". Mit der Edgar-Wallace-Parodie "Der WiXXer" sowie in "Hui Buh" erreichte er ein großes Kinopublikum. "Der Vorname" war 2018 eine besonders bemerkenswerte Komödie.
An einem der letzten warmen Herbsttage ist Christoph Maria Herbst zu Interviews auf der Dachterrasse des Bayerischen Hofs. Er bestellt zum Frühstück nur einen Kaffee und statt der Kaffeesahne - kein Witz: Sonnenmilch. Die kommt dann auch prompt, und er verstreicht sie auf seiner Glatze gegen die doch noch starke Sonne, wobei er München als schöne, lebenswerte Stadt lobt.
AZ: Herr Herbst, die berühmte Midlife Crisis: Könnte sie nicht nur ein eingebildetes Phänomen sein, weil es eben - nicht erst seit Woody Allen - ein Standard-Topos ist?
CHRISTOPH MARIA HERBST: Dann müsste man fragen: Cui bono? Das heißt, wer hätte denn Interesse daran, dass es sowas wie "Midlife Crisis" gibt?
Christoph Maria Herbst über seine "mutmaßliche" Midlife Crisis
Na, Psychologen, die Pharmaindustrie und Nahrungsergänzungsmittelhersteller und jeder, der damit erklären kann, warum er heute so komisch drauf ist?
In meinem Fall hat nur die deutsche Gleitschirm-Eventinnung was davon gehabt. Die restlichen klassischen Symptome kenne ich nicht, auch wenn sie in vielen Komödien durchgespielt werden. Aber in meiner mutmaßlichen Midlife Crisis habe ich einen Paragliding-Pilotenschein gemacht. Und natürlich gibt es eine Zeit, in der man sich fragt: Was das schon alles? Oder: Ich wollte doch immer? Und: Wann, wenn nicht jetzt? Wahrscheinlich ist das wirklich da und nicht von Außen gesetzt.
Wenn eine Gesellschaft das aber nicht vorsehen würde, gäbe es auch keine "Alterspubertät" wie es im Film heißt. Die Forderung immer jung, vital, viril sein macht doch erst Druck und schafft Krisen.
Ja, aber selbst wenn die Erwartungshaltung von außen fehlt, bliebe doch eine kleine Krise. Und wenn man Zeiten nimmt, in die wir vor allem nur literarische zurückschauen können, gibt es diese Krise eben, auch wenn die Rollenbilder stabiler waren: Anna Karenina, Madame Bovary… Die steigen auch aus mit der Idee: Das kann es jetzt doch nicht gewesen sein! Und dass das damals eher die Frauen waren, erklärt sich natürlich damit, dass sie unfreier waren.
Und was ist Ihr Rezept gegen Alters-Krisengefühle?
Dass man seine Persönlichkeit gegen die Erwartungshaltung der Gesellschaft setzt. Ich wollte auch nie mitschwimmen oder gar Trendsetter sein. Ich war auch der Letzte innerhalb meiner Schauspielagentur, der ein Handy hatte. Ich wollte mir nicht die Freiheit nehmen, meine Erreichbarkeit selbst zu bestimmen. Am Ende, bevor ich auch ein Handy hatte, hatte ich einen Pieper dabei, wie George Clooney in "Emergency Room". Und wenn meine Agentin mich anpiepte, war klar: Die Agentur hat angerufen. Klar habe ich zurückgerufen, aber ich bin dann zu einem mir passenden Zeitpunkt an der Raststätte raus und bin zur Telefonzelle gegangen. Durch die Lappen ist mir deshalb nichts gegangen. Und einen CD-Player hatte ich auch relativ spät, weil ich mit meinen Vinylscheiben glücklich war. Und immer noch nehme ich mir längere digitale Auszeiten.
Christoph Maria Herbst über das Phänomen Spieleabend mit Freunden
Fremdgehen ist ja auch so ein Komödienthema, wie in "Es ist nur eine Phase, Hase". Ist es immer noch so, dass wir denken, wenn eine Frau das macht, ist es schlimmer?
Ja, diese überkommenen Schablonen gibt es noch. Meine Figur im Film schafft es nicht, sich vorzustellen, dass der Seitensprung seiner Frau zwar etwas über die Ehe aussagt, aber mit dem Typen selbst nicht so viel zu tun hat. "Drinnen waltet die züchtige Hausfrau" steckt immer noch in uns. Ich erinnere nur an das Bundesland mit der "Herdprämien"-Idee.
Aber auch diese Partei hat ja gerade eine Ohrfeige bekommen. Kennen Sie das Phänomen "Spieleabende mit Freunden" wie im Film?
Bisher wenig, auch wenn mir die Scharade-Szene viel Spaß gemacht hat. Spieleabende sind ja deshalb so angesagt, weil man sich da zwar streiten und aufregen kann, aber eben spielerisch. Man vermeidet dadurch, über Politik, gesellschaftliche Skandale, richtige Probleme zu reden. Aber das ist bis zum gewissen Grad ja auch legitim, dass man mal die Klappe hält, und nicht quatschend zu viel Alkohol trinkt. Und wenn heute Freunde sagen: "Da gibt es dieses neue Spiel, dass Spiel des Jahres wurde. Wollen wir das nicht mal ausprobieren?" Da sage ich heute: Klar, machen wir.
Herbst: "Mein Wiedererkennungswert in Fußgängerzonen tendiert fast gegen Null"
Eine junge Lehrerin macht im Film Paul Avancen, weil er ihr Lieblingsschriftsteller ist. Wie oft wird man als prominenter Schauspieler angebaggert?
Also das erlebe ich selten bis gar nicht, weil mein Wiedererkennungswert in Fußgängerzonen der Republik fast gegen Null tendiert. Die eine kennt mich vielleicht nur aus "Wixxer"-Filmen und denkt, ich hätte so ein kleines Hitlerbärtchen und Seitenscheitel. Viele Kinder kennen mich nur aus den "Hui Buh"-Filmen und denken, ich wäre König Julius. Wieder andere denken, ich hätte einen Klobrillenbart und einen Haarkranz wie Stromberg. Ich laufe privat aber doch ganz anders herum. Ich habe festgestellt, dass ich wohl eine ziemlich markante Stimme habe. Und da ich nicht zum Selbstgespräch tendiere, halte ich einfach in der Öffentlichkeit meistens die Schnauze. Mithin werde ich auch nicht angesprochen. Das ist eine Art der Einrichtung im Leben, die mich sehr gut privat sein lassen kann. Eine schöne Sache.
Sie haben in der deutschen Adaption der französischen Komödie "Der Vorname" gespielt, jetzt kommt - wieder nach französischem Vorbild - "Contra" mit Ihnen in die Kinos? Gibt es national unterschiedlichen Humor?
Ja. Deshalb muss man die Stoffe ja auch bearbeiten, wenn man sie nach Deutschland transferiert.
Aber Monty Python hat ja auch in Deutschland funktioniert, obwohl es super-britisch ist.
Aber da haben wir mit den Briten über ihr Britischsein gelacht. Ich finde es allerdings interessant, warum deutsche Starkomiker wie Otto, Hallervorden, Loriot zuvor auch Heinz Erhard nicht über Deutschland hinausgekommen sind, wie umgekehrt etwas Jacques Tati, Pierre Richard, Louis de Funes.
Aber Ihr "Stromberg" wurde ja exportiert.
Stimmt, und selbst meine ikonografische Idee vom Klobrillenbart und Haarkranz wurde übernommen, was mir ein Kollege in einem spanischen Fernsehmagazin gezeigt hat. Also es gibt anscheinend allgemeingültige Erfahrungen, die übertragbar sind, wie die intriganten Über- und Unterordnungsverhältnisse im Büro - oder eben wie die Midlife Crisis in "Es ist nur eine Phase Hase".