California (Alb-)Dreaming
Am Anfang der Kritik eine Warnung: Dieser Film ist extrem brutal.
Am Anfang des Films ist der Zuschauer-Stress noch relativ harmlos: Nicht wegen des Droh-Videos, das ein mexikanisches Drogenmafia-Killerkomando zu unseren beach-boy-sonnengebräunten Lässig-Großdealern nach Südkalifornien schickt: Ein Rachegemetzel an Frauen, Männern und Kindern ist mit Handkamera gefilmt, wird aber nicht richtig gezeigt. Mehr nervt eine nur leicht angeraute Minni-Maus-Dummblondchen-Stimme, die uns aus dem Off durch die eskalierende Horror-Drogenkriegsgeschichte führt: easy dauerplappernd, leicht ordinär, freizügig.
Aber schnell wird klar, dass das nur ein Stilmittel ist, um Fallhöhe zu erzeugen – bis der Satz fällt: „Nur dass ich euch diese Geschichte erzähle, heißt nicht, dass ich am Ende noch lebe”, sagt Blake Lively in der anfänglichen Idylle, die joint-rauchend auf einer sonnigen, jungen Multimillionärs-Luxusterrasse über dem Pazifik beginnt – mit einem Dreier. Denn Blake Lively als „O” lebt hier mit zwei Jungs zusammen: Chon, der Mann fürs Grobe und Superhengst (Taylor Kitsch). Und Ben (Aaron Taylor-Johnson), aus weicherem Holz geschnitzt, der Klügere (Botaniker mit fantastischen Pflanzenzuchterfolgen), der nicht Krieg, sondern Spaß haben will. Ihr gemeinsamer, großflächiger Marihuana-Anbau und Vertrieb ist für ihn nur Dolce-Vita-Eintrittskartenspiel. Aus Lebens-Unruhe ist er der Öko- und Sozialfreak, was uns emotional an ihn – trotz seines verbrecherischen Drogenhandels – bindet.
Der harte Realitäts-Romancier Don Winslow hat Oliver Stone die Vorlage geliefert. Winslow hat jahrelang im US-mexikanischen Drogenkrieg recherchiert. Stone hat daraus irrsinnige Figuren destilliert: Benicio Del Toro als psychopathisch gefühllosen, servilen, doch machtlüsternen Killer, Intriganten und Folterer, der bald sein eigenes Spiel treibt. Oder Salma Hayek als herrischer, schmerzfreier Kopf des Kartells, die im Luxus und mit ihrer in Mafia-Rivalität dezimierter Familie völlig vereinsamt ist. Oder der finanziell sich übernehmende, daher schmierbare Chef des Polizei-Drogendezernats (John Travolta), der durch sein Doppelspiel in brutale Schwierigkeiten gerät. Diese Figuren wirken wie aus einem coolen Comic, so dass „Savages” – ähnlich wie der Coen-Film „No Country for Old Men” – wie eine grelle Parodie wirkt.
Aussteigen geht nicht, und wer auch nur Verräter sein könnte, wird ermordet (lebendig angezündet). Auch wenn man beim Tex-Mex-Westcoast-Amerikanisch wenig versteht, sollte man in die englische Originalversion gehen. Denn nicht nur Salma Hayek ist in der deutschen Version pseudo-akzent versaut.
Kino: CinemaxX, Leopold, Mathäser, Neues Gabriel, Royal, Atelier (OmU) sowie Cinema und Museum Lichtspiele (OV)
R: Oliver Stone (USA, 131 Min.)
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- Mörder
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