Kritik

"Bullet Train" mit Brad Pitt: Die neue Action-Lässigkeit

Ein Zug, ein Geldkoffer, viele Bösewichte: Brad Pitt glänzt in der Actionkomödie "Bullet Train" als vom Pech verfolgter Auftragskiller.
von  Florian Koch
Tarnname "Ladybug" - also Marienkäfer: Brad Pitt (re.) als auftragsmüder Auftragskiller ohne Schusswaffe, dafür mit anderen Raffinessen.
Tarnname "Ladybug" - also Marienkäfer: Brad Pitt (re.) als auftragsmüder Auftragskiller ohne Schusswaffe, dafür mit anderen Raffinessen. © Scott Garfield / Warner

Würdevoll altern. Gerade für Actionhelden keine leichte Aufgabe. Wenn die Falten zunehmen, arbeiten die Stars der Szene sich weiter an ihren aufgepumpten Körpern, an markigen Posen und Sprüchen ab. Manchmal auch wie einst ein Arnold Schwarzenegger garniert mit etwas Selbstironie. Den Entwurf eines völlig neuen Typus wagen, auch aus kommerziellen Gründen, jedoch die wenigsten. Anders Brad Pitt.

2019, als die Karriere des ewigen Sonnyboys plötzlich stockte, half ihm Quentin Tarantino, der bereits die Vita von John Travolta belebte, zu neuer Größe. Als unverschämt lässiger Stuntman Cliff gewann Pitt in "Once Upon a Time in Hollywood" nicht nur den Oscar, sondern auch neue Fans. Denn hinter der Fassade des coolen Draufgängers deutete sich in Pitts Figur auch eine dunkle Seite, ein Geheimnis, an, dass, nie ganz erklärt, seine Figur aber noch spannender machte.

"Bullet Train": Bereits Pitts erste Szene ist eine Schau

Ganz ähnlich funktioniert nun auch Pitts umwerfender Auftritt in der wild-grotesken, auf dem Roman von Kotaro Isaka beruhender Actionkomödie "Bullet Train". Bereits Pitts erste Szene ist eine Schau. Mit federleichtem Gang driftet der Auftragsmörder Ladybug (zu deutsch: Marienkäfer) in lässigen Sneakers und ulkiger Fischermütze durch die Millionenmetropole Tokio. Aus den Boxen wummert dazu der Sound von "Stayin' Alive". Sofort bricht Krawall-Regisseur David Leitch ("Deadpool 2") jedoch mit diesem hippen Gangsterstereotyp aus dem Guy-Ritchie-Kosmos ("Snatch", ebenfalls mit Brad Pitt). Denn dieser alternde Killer möchte am liebsten wegkrabbeln vor dem nächsten Auftrag. Das Pech würde er anziehen, ständig Unschuldige auf dem Gewissen haben und damit jede seiner Missionen gefährden.

Immerhin ginge es ihm nun besser, seit sein Therapeut ihm geraten hätte, dass man in Frieden leben könne, wenn man ein friedvolles Gemüt auch ausstrahlen würde. "Du vergisst hier nur, womit du eigentlich dein Geld verdienst", ermahnt ihn dann knallhart eine Stimme aus dem Kopfhörer. Die Mittelsfrau (im Original: Sandra Bullock) am Telefon ist – manchmal auch für die Zuschauer etwas anstrengend –, die einzige Person, die Ladybug psychologisch aufpäppeln kann und muss. Denn der für den Auftrag eigentlich gesetzte Verbrecher fällt plötzlich krankheitsbedingt aus.

Ein Auftragskiller ganz ohne Schusswaffe

Die Mission selbst ist für die Macher des Films aber nur ein Vorwand für eine launige Typenkomödie und für ein wendungsreiches Spiel mit Genreklischees. Ein Koffer soll Ladybug an sich nehmen, im rasend schnellen, topmodernen Shinkansen-Zug auf der Strecke zwischen Tokio nach Kyoto. Die gleiche Idee haben aber ein halbes Dutzend weiterer Profikiller, die sich mal mehr oder weniger gut getarnt im Zug befinden.

Darunter Tangerine (Aaron Taylor-Johnson) und Lemon (Brian Tyree Henry), ein psychopathisches britisches Zwillingspaar, das leider keine Ähnlichkeit miteinander besitzt und über Vorlieben für die Kinderserie "Thomas, die kleine Lokomotive" debattiert. Oder eine als unschuldiges Schulmädchen (Joey King) ausstaffierte Zynikerin, die mit ihrem Vater längst einen Schuldigen für ihr verkorkstes Leben gefunden hat.

In ihren Normen sprengenden Charakterzügen und ausgefallenen Kostümierungen erinnern all diese Figuren verdächtig an den Kosmos von Quentin Tarantino.

Abgesehen von den auch hier mitunter pubertär stilisierten Gewaltausbrüchen gelingt es der in den Dialogen pfiffigen und in der Action elegant inszenierten Unterhaltungs-Lokomotive aber durchaus, sich eine eigene Note zu bewahren. Und mit Ladybug erleben die Zuschauer auch mal einen unverschämt entspannten, redseligen Auftragskiller, der ganz ohne Schusswaffe auskommt und sich zur Verblüffung seiner Rivalen im Kampf die ein oder andere Verschnaufpause gönnt.


Kino: CinemaxX, City, Gloria, Leopold, Mathäser, Royal sowie Cinema, Museum (OV) | R: David Leitch (USA, 126 Min.)

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