"Boss Baby": Es überleben nur die Süßen
Wir wollen alle geliebt werden, ungeteilte Aufmerksamkeit, im Mittelpunkt stehen. So geht es allen Kindern und auch noch Ältergewordenen, so wie dem Protagonisten Tim Tempelton im Animationsfilm "Boss Baby". Und Tim bekommt all das von seinen liebenswerten, etwas treudoofen Eltern: Liebe, Geborgenheit, das Gefühl der wichtigste Mensch der Welt zu sein.
Doch dann steigt ein Winzling aus einem Taxi, durchtänzelt den Vorgarten, kickt Tims Fahrrad mit den Stützrädern zur Seite, stolziert durch die Tür mitten ins Leben der Tempeltons. Schon halten die glückstrunkenen Eltern Riesenkulleraugen-Säugling in die Höhe: "Hey Tim, begrüße dein kleines Brüderchen!"
Freude? Im Gesicht des 7-jährigen Tim stehen eher viele düstere Fragezeichen: Weshalb trägt der Säugling ein schwarzes Man-In-Black-Businessdress samt Aktenkoffer und kommt mit dem Taxi? Weshalb finden seine Eltern das nicht komisch? Und weshalb kapieren Mama und Papa nicht, dass das neue Baby die Familie manipuliert und ihn aussticht?
Regisseur Tom McGrath hat in „Boss Baby“ das Gefühl eines älteren Geschwisterchens beim Familienzuwachs ins Bild gesetzt: Tim, das ältere, erfahrene Kind fühlt sich plötzlich ohnmächtig gegenüber diesem Säugling, der alle Aufmerksamkeit und Liebe der Eltern an sich zieht. Tim, der bisher die kindliche Hauptrolle spielte, ist fassungslos ob dieser Ungerechtigkeit. Dahinter muss eine Verschwörung stecken – und er hat damit sogar recht! Denn der Winz-Junior mit Yuppie-Habitus und knallharter Karrierestrategie hat im Auftrag der Baby-Industrie eine eigene Kinderzimmer-Agenda. Über die Templetons versucht er an die Puppy Corps ranzukommen. Diese Welpen-Züchter-Firma will derart süße Vierbeiner kreieren, dass sie niedliche Neugeborene vom Platz 1 der Must-Have-Liste von jungen Erwachsenen verdrängen werden. Das Boss Baby versucht also, die Markteinführung der Superwelpen zu verhindern und kann Tims Hilfe dabei gut brauchen.
Der geht auf den Deal ein, als das Boss Baby verspricht, nach erfolgreicher Mission wieder abzuziehen. Vorhersehbarerweise werden aus Boss Baby und Tim nicht nur Kampfgefährten, sie lernen sich auch besser kennen, fangen an sich zu mögen. Und ab der Hälfte des Films gerät der wunderbar nachvollzogene psychische Kinderzustand von Tim aus dem Fokus und der Film hechelt dem rasanten, actiongeladenen Höhepunkt in üblicher US-Animations-Blockbustermanier entgegen.
So verliert "Boss Baby" die Tiefe seiner Figuren und die Logik etwas aus den Augen und vertraut stattdessen auf die Aberwitzigkeit seiner etwas schwachen Verschwörungsidee. Trotzdem rauscht der knallfarbige Animationsfilm mit viel Witz und Phantasie durch das bisher noch unerschlossene Thema "Geschwisterliebe".
Kino: Cinemaxx, Solln, Leopold, Mathäser, Royal R: Tom McGrath (USA, 86 Min.)
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