Bigelow bringt Jagd nach Osama bin Laden ins Kino
Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow widmet sich dem wohl größten Trauma der jüngsten US-Geschichte.
Es war der 2. Mai 2011, als die Nachricht um die Welt ging: Osama bin Laden, der meistgesuchte Terrorist der Welt, ist tot. Fast zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September hatte eine Spezialeinheit des US-Militärs den Al-Kaida-Chef in einem Haus in Pakistan getötet. „Der Gerechtigkeit ist Genüge getan“, sagte US-Präsident Barack Obama damals, Außenministerin Hillary Clinton schlug auf einem berühmten Foto die Hand vors Gesicht, die USA jubelten.
Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow („Tödliches Kommando – The Hurt Locker“) erzählt jetzt eine Geschichte hinter dieser Geschichte. Am 19. Dezember startet in einigen Kinos in den USA ihr mit Spannung erwarteter Film „Zero Dark Thirty“ über die Jagd auf Bin Laden, den Kopf hinter den Terroranschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon, auf den der US-Senat im Jahr 2007 ein Kopfgeld von 25 Millionen US-Dollar aussetzte. Der Untertitel des Films lautet: „The Greatest Manhunt in History“ – „Die größte Verbrecherjagd der Geschichte“.
Im August 2010 hatte die US-Regierung erste Hinweise auf den Unterschlupf von Bin Laden, wie Obama nach dem Tod des „Topterrorist“ genannten Mannes sagte. Die Jagd aber begann viel früher – direkt nach „9/11“, dem traumatischen Erlebnis mit rund 3000 Toten, das die USA in ihren Grundfesten erschütterte. Im Mittelpunkt der Geschichte von Regisseurin Bigelow und ihrem ebenfalls Oscar-prämierten Drehbuchautor Mark Boal steht die junge CIA-Agentin Maya (Jessica Chastain), die – nahezu besessen – Jahre ihres Lebens für die Jagd nach Bin Laden opfert und bereit ist, sich selbst dafür aufzugeben.
Der gut zweieinhalbstündige Film zeigt die Arbeit der Agenten - akribisch geplante Einsätze und gnadenlose Folter – und kommt schließlich zu dem Ende, das jeder kennt: dem Einsatz der Spezialeinheit Navy Seals in Bin Ladens Festung in Abbottabad, nördlich der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Darauf bezieht sich auch der Name des Films: „Zero Dark Thirty“ ist ein Ausdruck im Militärjargon und bezeichnet eine halbe Stunde nach Mitternacht – den Zeitpunkt, zu dem der Sturm auf Bin Ladens Versteck begann. In den USA hat der Film schon vor dem Start eine Debatte über Folter ausgelöst. Schließlich ist sie im Film ein wichtiges Mittel für den Erfolg der Suche nach Osama bin Laden.
Als Bin Laden 2011 getötet wurde, hatten Bigelow und Boal schon lange an ihrer Filmidee gearbeitet; das Drehbuch musste daraufhin umgeschrieben werden. Einen dramatischeren Einschnitt gab es dann im Frühjahr 2012 bei den Dreharbeiten in Nordindien: Radikale Hindus stürmten das Filmset in einem Vorort der Stadt Chandigarh, wo die Crew die pakistanische Stadt Abbottabad nachgebaut hatte. Die Hindus rissen pakistanische Nationalflaggen und Schilder in Pakistans Landessprache Urdu herunter. Sie wollten es nicht hinnehmen, dass pakistanische Fahnen in einer indischen Stadt wehten. Das Team hatte sich entschieden, den Film wegen der angespannten Sicherheitslage nicht in Pakistan, sondern im benachbarten – und noch immer mit Pakistan verfeindeten – Indien zu drehen.
Bigelow erklärte sich nach dem Zwischenfall bereit, auf pakistanische Flaggen zu verzichten. Das Risiko und die Anstrengungen aber dürften sich für Bigelow, die 2010 für den Kriegsfilm „The Hurt Locker“ als erste Frau den Regie-Oscar bekam und im gleichen Jahr auch den für den besten Film einheimste, gelohnt haben. In ersten Rezensionen erkoren Medien in den USA und Großbritannien Bigelows beeindruckenden und intensiven Film zum Meisterwerk und Oscar-Favoriten für das kommende Jahr. Bei den Nominierungen für die Golden Globes, die als Vorboten für die Oscars gelten, heimste „Zero Dark Thirty“ kürzlich vier Nominierungen ein, darunter für das beste Filmdrama und für die beste Regie. Der offizielle Kinostart in den USA ist erst der 11. Januar 2013 - ein Tag nach dem Start in Deutschland. Allerdings wird der Film in den USA schon vom 19. Dezember an in ausgewählten Kinos gezeigt - damit er 2013 auch wirklich ins Oscar-Rennen gehen darf.