Kritik

Bewegend: Der Film "In Liebe, Eure Hilde" von Andreas Dresen

Der Film erzählt die Geschichte einer Widerstandsgruppe im Kampf gegen die Nazis
von  Dominik Petzold
Liv Lisa Fries und Johannes Hegemann in Andreas Dresens Film "Im Liebe, Eure Hilde". Der Film erzählt die Geschichte einer Widerstandsgruppe gegen die Nazis, die später unter dem Namen "Rote Kapelle" bekannt wurde.
Liv Lisa Fries und Johannes Hegemann in Andreas Dresens Film "Im Liebe, Eure Hilde". Der Film erzählt die Geschichte einer Widerstandsgruppe gegen die Nazis, die später unter dem Namen "Rote Kapelle" bekannt wurde. © FSFF

Über den Widerstand gegen den NS-Staat ist im Lauf der Jahrzehnte schon viel erzählt worden, oft mit politischer Schlagseite, im Osten wie im Westen. Kann man dieses Thema noch mal ganz anders angehen? Regisseur Andreas Dresen und Drehbuchautorin Laila Stieler ist das mit "In Liebe, Eure Hilde" gelungen, auf meisterhafte Weise: Wer diesen Film sieht, wird ihn nicht mehr vergessen.

Regisseur Andreas Dresen.
Regisseur Andreas Dresen. © Soeren Stache (dpa)

Er erzählt auf zwei Zeitebenen vom wahren Schicksal der Hilde Coppi (Liv Lisa Fries), einer ruhigen, zurückhaltenden jungen Frau, die sich mit ihrem Mann Hans Coppi (Johannes Hegemann) in den Widerstandskreisen bewegt, die die Gestapo als "Rote Kapelle" bezeichnet. Zu Beginn des Films wird Hilde verhaftet und gesteht, ohne dass die Gestapo dafür übermäßigen Druck ausüben müsste. Dann erzählen Dresen und Stieler die vorangehenden Jahre rückwärts bis zu dem Moment, als sich das Paar kennenlernt. Parallel dazu werden Hildes kommenden Monate vorwärts erzählt. Das klingt kompliziert, geht aber bestens auf.

Die Folgen eines zauberhaften Sommers

Auf der früheren Zeitebene funkt Hans Coppi Nachrichten in die Sowjetunion, klebt das Paar Zettel mit regimekritischen Botschaften an Wände, hört Radio Moskau und schreibt Briefe an Angehörige von Kriegsgefangenen mit der Nachricht, dass die Söhne und Männer noch am Leben sind. Diese subversiven, mutigen Aktionen haben nur begrenztes Wirkpotenzial, vielmehr etwas fast Leichtes, Spielerisches.

Liv Lisa Fries als Widerstandskämpferin Hilde Coppi und Johannes Hegemann als Hans Coppi.
Liv Lisa Fries als Widerstandskämpferin Hilde Coppi und Johannes Hegemann als Hans Coppi. © Batier/dpa

Und sie sind nur ein Teil des zauberhaften Sommers, den das junge Liebespaar im Jahr 1942 erlebt. Die beiden gehen mit Freunden zum Baden an den See, genießen ihre Liebe, schlafen miteinander. Die Gefahr, in der die beiden schweben, wird kaum spürbar, das ist erzählerisch gewollt und stimmig. Denn wieso hätten es junge Menschen im Widerstand damals anders empfinden sollen, bei all der Fähigkeit zur Verdrängung, die uns zu eigen ist?

Unter Mitläufern

Überhaupt widersetzt sich Dresen den üblichen Klischees in der Darstellung der NS-Zeit, erzählt ohne brüllende Schergen, zeigt Menschen aus Fleisch und Blut und thematisiert deren Haltung zum System gar nicht. Ob diese Polizisten, Juristen und Beamte nationalsozialistische Überzeugungstäter waren oder aber opportunistische, vielleicht ängstliche Mitläufer: Das bleibt für den Zuschauer genauso bedeutungslos, wie es für Hilde Coppis Schicksal war.

Liv Lisa Fries als Hilde Coppi und Alexander Scheer als Pfarrer Harald Poelchau.
Liv Lisa Fries als Hilde Coppi und Alexander Scheer als Pfarrer Harald Poelchau.

Die wichtigere Zeitebene im Film ist die spätere, die Hildes Geschichte erzählt, nachdem sie - hochschwanger - inhaftiert wurde. Sie bringt im Frauengefängnis einen Jungen zu Welt, und somit zeichnet sich die schlimmstmögliche dramatische Konstellation ab. Schließlich ist klar, wie es im NS-Terrorstaat für eine verhaftete Widerständlerin weitergeht. Einige Monate lang aber zieht Hilde ihren Jungen, Hans Coppi jr., mit großer Mutterliebe und Fürsorge hinter Gittern auf, und dabei entwickelte sie eine große innere Stärke, sie wächst über sich hinaus.

Zum Ende hin kommen dann die Szenen, die den Film unvergesslich machen: Dresen geht über die schlimmsten Momente nicht einfach knapp hinweg, sondern erzählt sie meisterhaft mit dem extremen Realitätseffekt, der seinen Filmen zu eigen ist.

Aufwühlend und erschütternd

Und die Darstellerin Liv Lisa Fries spielt grandios, etwa als sie dem Gefängnispfarrer (Alexander Scheer) einen Brief an die Mutter diktiert: Wen diese Szene nicht anfasst, der kann sicher sein, im Kino nie wieder weinen zu müssen. Um diese emotionale Wucht zu erreichen, braucht der Film keine großen Bilder, es reicht die Kraft des Wortes, des Schauspiels und der wahren Geschichte.

Als der Film den Zuschauer dann am Ende aufgewühlt und erschüttert hat, nimmt er noch eine letzte, ganz kurze, kaum zu glaubende Wendung: ins Positive, Hoffnungsvolle, Sinnstiftende. Wie Dresen das schafft, soll natürlich nicht gespoilert werden.

Das Besondere an seinem Film über den Widerstand ist, dass er nicht nur vom Kampf gegen den NS-Staat erzählt. Sondern auch von Liebe, und vor allem deshalb ist diese Geschichte nicht nur unendlich traurig, sondern zugleich inspirierend.

R: Andreas Dresen (D 124 Min.); Kinos: ABC, City, Leopold, Monopol, Rio

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