Bester Film aus dem Ausland: "Toni Erdmann" für Oscar nominiert

Ein Musical ist Favorit, der aus Deutschland eingereichte Film von Maren Ade ist nominiert! Aber die Frage bleibt: Positioniert sich Hollywood neu?
Adrian Prechtel |
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Michelle Williams und Casey Affleck in „Manchester by the Sea“.
Michelle Williams und Casey Affleck in „Manchester by the Sea“.

Das gab’s nur zweimal, und man dachte: Das kommt nie wieder! Aber – nach "All About Eve" (1950) mit Bette Davis und James Camerons "Titanic" vor zwanzig Jahren – ist jetzt auch Damien Chazelles Musical "La La Land" in vierzehn Kategorien oscar-nominiert. Und es bleibt die große Frage, ob die melancholische Leichtigkeit und dieser Spiegel Hollywoods in all seiner charmanten Unperfektheit wirklich so groß abräumen wird in der Sonntagnacht des 26. Februar.

Auch wenn der Oscar als wichtigste Filmtrophäe der Welt gilt, bleibt er vor allem eine US-amerikanische Auszeichnung. Und weil gerade diskutiert wird, ob sich das traditionell liberal-demokratische Hollywood zu stark mit der Demokratischen Partei eingelassen hat, wird es spannend, ob diesmal mehr oder weniger politisch korrekte Themen durchsetzen können, also: "jetzt erst Recht" oder "lieber mal vorsichtiger"? Unter das Motto "Make America great again" fiele jedenfalls Mel Gibsons Film über einen Pazifisten als soldatischen Helden im Zweiten Weltkrieg.

Lesen Sie auch: Interview mit Casey Affleck - "Manchester by the Sea": Filmfiguren wie echte Menschen

Die meisten anderen hoch- und vielnominierten Filme behandeln dagegen klassische politisch korrekte Probleme: hartes afroamerikanisches Leben und Rassismus in den 50er ("Fences"), eine Zeit, in der auch "Hidden Figures – Unerkannte Heldinnen" spielt, der von schwarzen Mathematikerinnen bei der NASA erzählt und nächste Woche auch bei uns startet. Und "Moonlight" wiederum handelt von einen jungen schwarzen Homosexuellen in Florida der 80er. Ein Neowestern um zwei Brüder, die Banken überfallen, um ihre Familie zu retten ist "Hell or High Water", der seit einer Woche auch bei uns im Kino ist. Einer der härtesten Konkurrenzfilme für das charmante "La La Land" oder die gesellschaftlich härteren Filmthemen, zu denen auch die Identitätssuche eines adoptierten, indischen Kindes ("Lion" ) gehört, ist aber das Meisterwerk "Manchester by the Sea". Denn hier treffen sich viele Erwartungen, ohne politisch tendenziös zu sein: eine psychologisch dramatische Geschichte nach einem Familiendrama, in der auch die amerikanische Mittelklassegesellschaft aufgefächert wird.

Bei soviel amerikanischer Selbstbeleuchtung ist es natürlich besonders spannend, was sich in der klassischen "Welt"-Kategorie der "Besten nichtenglisch-sprachigen Filme" tut: Die Nominierung für Maren Ades "Toni Erdmann" ist die erste Oscarnominierung für einen deutschsprachigen Film seit "Das weiße Band" von Michael Haneke im Jahr 2010. Zuletzt hatte der Stasi-Film "Das Leben der Anderen" von Florian Henckel von Donnersmarck 2007 die Trophäe nach Deutschland geholt. Und es ist schwer zu sagen, in wieweit sich Hollywoods Filmakademiemitglieder auf einen fast dreistündigen Film einlassen können, der – langsam erzählt – von skurrilem deutschen Humor geprägt ist und ein Gespür für Zwischentöne verlangt. Aber allein die Nominierung zeigt, dass "Toni Erdmann", dessen Siegeszug im vergangenen Jahr in Cannes begann und bis zum Europäischen Filmpreis im Dezember führte, doch als das wahrgenommen wird, was er ist: ein ganz intelligenter Film, der eine ruhig-intensive Kinoerfahrung ermöglicht.

Meryl Streep – von Donald Trump als überschätzte Schauspielerin geschmäht – hatte die Golden-Globe-Verleihung genutzt, um ihr Entsetzten auszudrücken, über die neue Brutalität und Vulgarität in der US-Politik. Hollywood stärkt ihr jetzt erneut den Rücken: Die dreifache Oscargewinnerin ist unübertroffen zum 19. Mal nominiert als Florence Foster Jenkins. Härteste Konkurrentin: die Französin Isabelle Huppert in "Elles". Aber der harte frauen-masochistische Film dürfte den Amerikanern dann doch zu gewagt sein.

Lesen Sie auch: Alle Nominierungen im Überblick - Oscars 2017: "La La Land" kann Rekord brechen

Bleibt Natalie Portman als "Jackie" – und da wären die Amerikaner mit der Kennedy-Geschichte ja wieder ganz bei sich – nostalgisch und parteipolitisch demokratisch!

Die wichtigsten Oscar-Nominierungen:

  • Bester Film: „Arrival“, „Fences“, „Hacksaw Ridge“, „Hell or High Water“, „Hidden Figures“, „La La Land“, „Lion“, „Manchester by the Sea“, „Moonlight“
  • Beste Regie: Damien Chazelle für „La La Land; Mel Gibson für „Hacksaw Ridge“; Barry Jenkins für „Moonlight“; Kenneth Lonergan für „Manchester by the Sea“; Denis Villeneuve für „Arrival“
  • Bester Hauptdarsteller: Casey Affleck in „Manchester by the Sea“; Denzel Washington in „Fences“, Ryan Gosling in „La La Land“; Viggo Mortensen in „Captain Fantastic“; Andrew Garfield in „Hacksaw Ridge“
  • Beste Hauptdarstellerin: Emma Stone in „La La Land“; Natalie Portman in „Jackie“, Amy Adams in „Arrival“,; Meryl Streep in „Florence Foster Jenkins“; Isabelle Huppert in „Elle“
  • Bester nicht-englischsprachiger Film: Australien: „Tanna – Eine verbotene Liebe“ von Bentley Dean und Martin Butler; Dänemark: „Unter dem Sand“ von Martin Zandvliet; Deutschland: „Toni Erdmann“ von Maren Ade; Iran: „The Salesman“ von Asghar Farhadi; Schweden: „Ein Mann namens Ove“ von Hannes Holm
  • Bestes adaptiertes Drehbuch: „Arrival“, „Fences“, „Lion“, „Hacksaw Ridge“, „Hidden Figures“, „Moonlight“
 
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