Berlinale: Jena, München und zurück
Am Wochenende hatten Andreas Dresens "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" und Nicolette Krebitz' ""A E I O U - Das schnelle Alphabet der Liebe" öffentlichkeitswirksam ihre Weltpremieren im Berlinale-Wettbewerb.
Nicht ganz so medienwirksam, aber wichtig für junge Talente, die beweisen wollen, dass mit ihnen in Zukunft zu rechnen ist, ist die Reihe "Perspektive Deutsches Kino". Das konzentrierte Programm aus diesmal nur sieben Spiel- und Dokumentarfilmen stellt sechs Regisseurinnen und einen Regisseur vor, zusätzlich "Perspektive-Talente" jeweils aus den Bereichen Dokumentarfilm-Regie, Kamera, Montage, Produktion und Szenenbild.
Hier darf man sich noch mit eigenwilligen Fingerübungen ausprobieren, nach einem eigenen künstlerischen Ausdruck suchen.
Spielerische Geschichte einer deutsch-deutschen Liebe
Unter denen, deren Werk aus 230 Einreichungen ausgewählt wurden und um den "Kompass-Perspektive-Preis" konkurrieren, ist die Münchnerin Vera Maria Brückner. Sie erzählt in "Sorry Genosse" spielerisch die Geschichte einer deutsch-deutschen Liebe auf den ersten Blick, zwischen den zwei Studenten Karl-Heinz aus Bayern und Hedi aus Thüringen und der total verrückten Flucht über Rumänien in die Bundesrepublik.
Vor der gestrigen Premiere hatte die Absolventin der HFF München in der Abteilung Dokumentarfilmregie und Fernsehpublizistik schon ein wenig Muffensausen, aber sie hofft, durch die Teilnahme an der Plattform "als Filmemacherin ernst genommen" zu werden und auf neue Chancen für ihre Projekte wie bei der Suche nach Produktionspartnern. Ziel war es, "einen unterhaltenden Dokumentarfilm zu realisieren, der auch Spaß macht".
Das ist ihr gelungen. Am Anfang stand Genosse Zufall. Bei einem Familienessen mit ihrem damaligen Freund kramte dessen Vater plötzlich seine Stasi-Akte hervor und plauderte über die Vergangenheit. "Ich spitzte die Ohren und wusste, das ist ein toller Stoff für meinen Abschlussfilm". Mit Unterstützung der Münchner Filmhochschule (HFF) und der Nachwuchsförderung des FilmFernsehFonds Bayern (FFF) wurden die ersten finanziellen Hürden genommen, dann stieg der Bayerischen Rundfunk als Koproduzent ein.
Zotteliger Student, brave Medizinstudentin
Wie in einem Krimi verfolgt man die irrwitzigen Pläne der beiden Protagonisten. Da stellt der junge Mann einen Einbürgerungsantrag in die DDR und landet in den Fängen der Stasi, die Liebenden schreiben sich endlos Briefe, verpassen sich bei einem Treffen in Ost-Berlin, irgendwann sehen sich "der "zottelige Student aus dem kapitalistischen Feindesland" und die brave Medizinstudentin in Jena, aber zusammenbleiben dürfen sie nicht.
Dann die Idee, mit einem befreundeten Paar als Urlauber in den "Ostblockstaat" Rumänien einzureisen und Hedi mit einem falschen Pass in den Westen zu schaffen. Erst läuft alles schief, vom falschen Zug bis hin zum falschen Schließfach.
Den "Masterplan" rekonstruiert die 33-Jährige mit viel Archivmaterial und Zeitkolorit und den beiden inzwischen 70-Jährigen. Sie kreiert ein Stück lebendige Zeitgeschichte mit zwei Menschen, die sich zwar später trennten, aber zehn Jahre gemeinsam mit ihren zwei Kindern glücklich waren. Hedi kehrte in ihre Heimat zurück, Karl Heinz lebt in München.
Kreativer Mikrokosmos unter HFF-Studenten
Dennoch spürt man zwischen ihnen immer noch eine Form von Liebe und Nähe, auch wenn sie mit neuen Partnern in der Gegenwart verhaftet sind. "Sorry Genosse" ist auch ein Beispiel dafür, wie HFF-Absolventen nach dem Studium einen kreativen Mikrokosmos bilden.
So setzte der vielfach prämierte Kameramann Felix Pflieger das Licht und Produzent Fabian Halbig, der mit seiner Firma Nordpolaris im Glockenbachviertel residiert, arbeitet zum zweiten Mal mit der Regisseurin zusammen und ist als "Perspektive-Talent" in der Sparte Produktion nominiert. "Das Studium schweißt zusammen. Da ist es nicht ungewöhnlich, dass wir danach noch irgendwie alle zusammenhängen. Und es funktioniert einfach gut", meint Regisseurin Maria Brückner.
Vor zwei Jahren lief Janna Ji Wonders "Walchensee Forever" in der Berlinale-Sektion und anschließend erfolgreich im Kino. Hoffen wir, dass es für "Sorry Genosse" ähnlich gut klappt.