Bemerkenswert desinteressiert

Eine Leiche verschwinden zu lassen, ist nicht leicht. Es war aber noch nie so langweilig wie bei "5 Frauen".
von  Claudia Nitsche
Bild 9 zu "5 Frauen"
Bild 9 zu "5 Frauen" © 2016 Weltkino
Olaf Kraemer schreibt eigentlich Bücher. "5 Frauen" ist sein erster Langfilm, den er lieber mit einem kleinen Budget verfilmte denn mit Geldgebern, die ihm zu mutlos an die Geschichte herangingen. Er wollte keine Klischees und beginnt doch mit einem Sommerhaus in Südfrankreich
, weichgezeichnet und in warmes Licht getaucht. Dort lebt Marie (Anna König), eine vom Leben gebeutelte Künstlerin. Sie lädt ihre Freundinnen, die sich alle schon lange kennen, auf das idyllische Landgut ein. Ein unvorhergesehener Gast, der schnell zur Leiche wird, stellt die Damen vor ganz andere Aufgaben, als sich nur im Kleinen zu bekriegen. Ab da regnet es. Wenn man genau hinsieht, müsste der Film "4 Frauen
" heißen, denn der Auftritt der Nachzüglerin ist so kurz wie irrelevant. Aber das ist das generelle Problem
bei diesem im schönsten Frankreich gedrehten Damen-Thriller: So genau sollte man nicht hinschauen! Eigentlich will man nur Rotwein trinken, die Sonne genießen und - Drogen nehmen? Dieser Idee ist der weitere Verlauf der Handlung geschuldet. Denn die enthemmten Ladys gehen nicht zimperlich mit einem Eindringling um. Zunächst überrascht er Marie. Aus dem Trubel durch die zu Hilfe herbeieilenden Freundinnen kommt der Unbekannte nicht lebend heraus. Doch die Damen wollen sich von so einer Leiche nicht den Tag verderben lassen und suchen nach unkomplizierten Lösungen. Zunächst wird die Polizei
gerufen, doch dann denkt Anna (Korinna Krauss) noch einmal nach und schickt sie wieder weg. Das muss auch mit weniger Aufsehen gehen. Theoretisch ja, aber schon am nächsten Tag steht der angebliche Bruder (Stefano Cassetti) des Toten auf dem Landgut. Kaum hat er sich am Pool die erste Kerbe am Bettpfosten verdient, zieht der verwegene Südländer auch schon bei den suspekten Frauen ein - und Marie findet an ihm Gefallen. Ausgerechnet Marie, die ein durchwachsenes Verhältnis zu Männer
hat und ein schlimmes Erlebnis aus der Vergangenheit endlich hinter sich lassen möchte. Einer der Produzenten attestiert dem Film eine Extremsituation, ein Spiel mit der Frage "Was wäre wenn?". Die Protagonistinnen sollen aus ihrem Umfeld geworfen und vor moralische Fragen gestellt werden. Es geht um Verantwortung und vor allem darum, wie Regisseur Olaf Kraemer seine Charaktere ausgestaltet und sich in dieser Situation entwickeln lässt. Problem: Es gibt keine Charaktere, alle fünf Frauen sind dem Zuschauer nicht einmal oberflächlich bekannt. Gastgeberin Marie bekommt noch am meisten Raum, immerhin erfährt man von ihr, dass sie unter der Vergangenheit leidet. Nora, gespielt von Kaya
Marie Möller, ist diejenige, an der sich manch andere erzürnt, da sie eine Affäre mit dem Freund von Stephanie hat, weswegen deren Lust auf den Kurzurlaub bereits im Keim erstickte. Die von Korinna Krauss dargestellte Anna ist häufig am Telefon anzutreffen, eine im Beruf erfolgreiche Frau, die auch ihre Familie zu managen versucht. Und Ginette (Odine Johne) ist das Kind der Gruppe, verspielt, naiv, und der Grund, weswegen es gleich zum ersten Essen Drogen als Garnierung gibt. Bleibt die attraktive Stephanie (Ex-Model Julia Dietze), die, weil sie einen untreuen Freund hat, gleich mal den Fremden im Garten flachlegt. Die Figuren haben ein bemerkenswertes Desinteresse an- und sie stehen in keiner nachvollziehbaren Beziehung zueinander. Sie transportieren zu keinem Zeitpunkt glaubwürdige Emotionen. Auch reagieren sie nicht plausibel in dieser bodenlos überflüssigen Geschichte. Weder stellt oder beantwortet der Film Fragen zur Moral, noch schöpft er sein Konfliktpotenzial aus. Männer finden kaum statt, und so schafft es auch Stefano Cassetti als einzig ernstzunehmender Vertreter seines Geschlechts nicht, mysteriös zu wirken.
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