AZ-Kinokritik: Neustart von „Inferno“ mit Tom Hanks

Tom Hanks ist wieder als Professor Langdon der Gejagte, aber das Konzept von „Inferno“ ist allmählich ermüdend.
Martin Schwickert |
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Robert Langdon (Tom Hanks) und die Ärztin und universell Hochbegabte Sienna Brooks (Felicity Jones).
Sony Robert Langdon (Tom Hanks) und die Ärztin und universell Hochbegabte Sienna Brooks (Felicity Jones).

Für einen Harvard-Professor sieht Robert Langdon (Tom Hanks) ganz schön ramponiert aus: Platzwunde am Kopf, zerrissenes Jackett und am Handgelenk statt der geliebten Mickey-Mouse-Uhr ein Patienten-Armband des örtlichen Hospitals. Die Erinnerung an die letzten zwei Tage sind ausgelöscht. Stattdessen arbeiten sich Alpträume hervor, in denen dämonische Gestalten, blutrote Flutwellen und eine verschleierte Frau nichts Gutes verheißen.

Mit einem demontierten Helden beginnt „Inferno“ - die Adaption des Romans von Dan Brown („Sakrileg“). Schnitzeljagd und Schatzsuche sind auf Kindergeburtstagen immer noch die beliebtesten Spiele und auf diesen urmenschlichen Modus von Hetzen und Entdecken bauen auch Browns Romane auf. Dabei verwebt der amerikanische Autor klassischen Thriller-Plot mit kunsthistorischen Diskursen. Das ist in „Inferno“ - dem vierten Roman der Langdon-Serie - nicht anders, denn der versierte Symbolforscher wird nach seinem Blackout nicht nur von Alpträumen verfolgt, sondern auch von Finsterlingen wie Regierungsorganisationen und muss ganz nebenbei noch die Welt vor einem biogenetischen Terrorakt bewahren.

Neuanfang durch gewaltsame Entvölkerung

Ein Milliardär will im Alleingang den Planeten vor den Folgen der Überbevölkerung schützen, indem er eine künstliche Seuche in Gang setzt. So wie die Pest den Weg für die Renaissance geebnet hat, will Bertrand Zobrist (Ben Foster) einen Neuanfang durch gewaltsame Entvölkerung herbeiführen. Gleich zu Beginn stürzt sich der Bösewicht, nachdem er die Zeitbombe gelegt hat, nicht ohne eine verschlüsselte Spur zu hinterlassen. In „Das Sakrileg“ waren es die Werke Da Vincis, in „Illuminati“ die Schriften Galileis, die den Weg wiesen. Nun liefert Dantes „Göttliche Komödie“ den Fahrplan für eine bildungsbürgerliche Achterbahnfahrt entlang der Kunstschätze von Florenz, Venedig und Istanbul. Als weibliche Weggefährtin wird Langdon die Ärztin und universell Hochbegabte Sienna Brooks (Felicity Jones) zur Seite gestellt. Dankenswerterweise verzichtet Ron Howards Adaption im Gegensatz zur Romanvorlage auf eine Romanze. Ohne amouröse Komplikationen hecheln die beiden verfolgt von einer schießwütigen Carabiniera (Ana Ularu) und einem undurchsichtigen WHO-Ermittler (Omar Sy) von einer Station zur nächsten. Wenig überraschend schaffen sie es immer gerade so, das Rätsel zu lösen, bevor feindlicher Beschuss zum Weiterrennen auffordert. Dabei hält Regisseur Ron Howard, der auch die ersten beiden Romane verfilmt hat, allerdings die Phasen kunstgeschichtlicher Kontemplation gegenüber den Action-Anteilen deutlich kürzer. Das alles kann man sich gut anschauen, weil die Entschlüsselungs-Locations vom Palazzo Vecchio über den Markusdom bis zur Hagia Sophia gut gewählt sind. Aber auch wenn der Unterhaltungsfaktor über dem eines Diavortrages bei reiselustigen Freunden liegt, setzen irgendwann Ermüdungserscheinungen ein.

Wenig Überraschendes - Viel Altbewährtes

Die Erzählung gehorcht bis auf wenige gewagte Plotwendungen dem immer gleichen dramaturgischen Schema, das auch die beiden ersten Filme antrieb. Anders als in den Vorgängerwerken sind die Gemälde, Skulpturen und Schriften nicht Gegenstand von Interpretationen, die mit der Thriller-Handlung verschmelzen, sondern dienen zumeist nur als Briefkasten für die aufwendige Schnitzeljagd, was das intellektuelle Vergnügen der ganzen Angelegenheit deutlich reduziert. Im Roman deutete es sich schon an und wird im Film zur Gewissheit: Das Erfolgskonzept hat sich abgeschliffen und verlangt nach einer grundlegenden Neubearbeitung – oder einem würdevollen Begräbnis. Letzteres ist aber noch längst nicht in Sicht. Die Adaption des dritten Langdon-Romanes steht noch aus, für die Ron Howard jedoch nicht als Regisseur zur Verfügung steht.


Kinos: Cadilla, Cinema (OV), Cinemaxx, Mathäser, Museum Lichtspiele, Münchner Freiheit, Royal, Neues Rex, Autokino Aschheim, Breitwand Gauting, Cinema Dachau, Cineplex Germering, Gröben Lichtspiele, Kino Haar, Scala-Center FFB
Regie: Ron Howard (USA / Japan /Türkei / Ungarn, 121 Min)

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