AZ-Filmkritik - "Mein Leben. Ein Tanz“: Tänzerische Urgewalt

Die Dokumentation "Mein Leben. Ein Tanz“ porträtiert die Ikone des Flamenco "La Chana“.
Vesna Mlakar |
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"Tanzen“ kann die La Chana nur noch im Sitzen.
temperclayfilm "Tanzen“ kann die La Chana nur noch im Sitzen.

Sie ist gerade 21, als sie sich in Peter Sellars Film "The Bobo” die Seele aus dem Leib tanzt. Antonia Santiago Amador, die 1967 als "La Chana“ schon legendären Ruhm genießt, sprüht beim Flamenco vor erotischer Urgewalt und Rhythmusgefühl. Sobald sie die Bühne betritt, entlädt sich ihre Dynamik. Das Talent einer Autodidaktin: geboren, um zu tanzen. Ihre Schritte prasseln so schnell wie exakt auf den Boden. Das Auge kann kaum folgen. Akustisch erlebt man ein Klanggewitter, das die Tänzerin körperlich an ihre Grenzen bringt und in einer Ekstase aus purem Sinti-Temperament gipfelt.

Fast ein halbes Jahrhundert später erzählt die Künstlerin der jungen Regisseurin Lucija Stojevic von ihrer damaligen Erschöpfung nach täglich acht Drehstunden. Auch Salvador Dali zählte zu ihren Fans. Er besuchte ihre Tanzshows allerdings stets mit einer seiner großen Haustier-Raubkatzen, worüber sich "La Chana“ ("die, die viel weiß“) jedes Mal mächtig aufregte. Im Spanien der 60er und 70er war sie ein Mega-Star.

Doch nach Hollywood durfte sie Peter Sellars nicht begleiten. Ihr Macho-Ehemann, der ihr zuerst gentlemanlike den Hof machte, sie managte, sie aber auf dem Höhepunkt ihrer Karriere zum Rücktritt zwang und zuletzt mittellos mit dem gemeinsamen Kind sitzenließ, war dagegen. Solche Interna erfährt man im Verlauf der packenden, geschickt mit Archivmaterial gespickten Dokumentation "Mein Leben. Ein Tanz“ eher nebenbei. Am Ende wird man Zeuge eines ergreifenden Comebacks.

Stojevic bohrt nicht nach, wenn sie Antonia Santiago Amador mit der Kamera begleitet. Wer Analytisches schätzt, dürfte eher enttäuscht sein. Wer jedoch bereit ist, in die Lebensatmosphäre einer Frau einzutauchen, die unglaubliche Höhepunkte und Niederlagen erlebt hat, wird begeistert sein.

Nahe kommt man La Chana auf jeden Fall: im Fernsehsessel ihres mediterranen Hauses, am Tisch mit ihrem zweiten Mann "aus dem Fischgeschäft“, in der Küche mit ihrer Tochter, beim Besuch eines ehemaligen Bühnenpartners, in Probensituationen mit einer jungen Tänzerin oder zwei Musikern, die von der charismatischen Dame höchst vital in Grund und Boden geklatscht werden.

Nur die Knie wollen La Chana mit Ende 60 nicht mehr so recht tragen, weshalb der Flamenco ihren Körper nun im Sitzen durchströmt. Der Wirkung der Schläge ihrer nach wie vor geschwinden Knöchel und Fußsohlen mitsamt eigenwilligen Windungen ihrer Arme tut dies keinen Abbruch.


Kino: Rio Filmpalast, Theatiner
Buch & Regie: Lucija Stojevic (86 Min.)

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