"Aus dem Nichts" - Auf der Suche nach Gerechtigkeit

Fatih Akins NSU-Drama "Aus dem Nichts" ist etwas plakativ, aber dennoch packend. Und Diane Kruger spielt stark.
Adrian Prechtel |
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Liebesheirat im Knast: Die Studienabbrecherin Katja (Diane Kruger) heiratet ihren Ex-Drogendealer Nuri (Numan Acar).
2017 Warner Bros. Ent Liebesheirat im Knast: Die Studienabbrecherin Katja (Diane Kruger) heiratet ihren Ex-Drogendealer Nuri (Numan Acar).

Nuri Sekerci (Numan Acar) saß nach Drogendealerei im Gefängnis. Dort hat er brav ein Studium nachgeholt und sich im halbseidenen weißen Anzug mit der Deutschen Katja (Diane Kruger) verheiratet. Jetzt haben sie zusammen einen achtjährigen Sohn, der schon brav Geige übt, so dass "er es weiter bringen wird", wie Papa stolz meint, hinein ins deutsche Bildungsbürgertum.

So heißt das erste Film-Kapitel auch "Familie" – und es ist ein erschütterndes Melodram. Denn in diese Familie schlägt eine Nagelbombe ein. Und gebannt folgt man Katja Sekerci, einer tätowierten, drogenerfahrenen Frau mit herausgewachsenen Blondierungssträhnen, wie sie sich nach Paralyse, Zusammenbruch und Fassungslosigkeit auf den Weg macht, Selbstjustiz zu üben: nicht im Rache-Rausch, sondern in dem Gefühl, dass sie nach dem Tod ihrer Familie kein neues Leben wird finden können, und in dem Empfinden, dass Nazi-Mörder nicht unter uns sein dürfen.

Darsteller-Palme in Cannes für Diane Kruger

Diane Kruger hat für ihre neue radikale, den Zuschauer einnehmende Herbheit beim Festival in Cannes völlig zu Recht die Darsteller-Palme gewonnen, dank Szenen, die man nicht mehr vergisst, etwa ihr Eindringen in den abgeriegelten Tatort, das Steuerberatungs- und Übersetzungsbüro ihres Mannes, wo sie am zerfetzten, blut- und rußverschmierten Ort versucht zu begreifen, was passiert ist.

Schon mit den ersten zwanzig Minuten hat Fatih Akin ein genaues, ungeschöntes, aber nie polemisches Bild der Bundesrepublik gezeichnet: von der kulturellen Zerrissenheit der Deutschtürken bis zum korrekten, wenn auch nicht vorurteilsfreien deutschen Polizei- und Justizwesen, das nur versuchen kann, Aufklärung zu schaffen, aber nicht für emotionale "Gerechtigkeit" sorgen kann. So ist das zweite Kapitel überschrieben.

Gerichtsdrama wandelt sich in Vergeltungsthriller

Hintergrund für "Aus dem Nichts" ist der NSU-Prozess, hier auf zwanzig Minuten zusammengeschoben, mit dem bewegenden Auftritt des fassungslosen Vaters (Ulrich Tukur) eines Mörders, der nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" mit seiner Komplizin freigesprochen wird und perfide triumphierend erst einmal Urlaub in Griechenland macht – am Meer, wo sich nach dem Gerichtsdrama jetzt ein Vergeltungsthriller entfaltet.

"Aus dem Nichts" ist nicht in allen Aspekten voll gelungen, wirkt manchmal etwas plakativ und kann und will auch die erschütternden V-Mann-Skandale und Prozessproblematiken des NSU-Prozesses nicht einbauen. Aber wie hier stark, berührend und unsentimental eine aktuelle, psychologisch klare, auch wütende Geschichte erzählt wird, ist einfach packend.


Kinos: Arri, CinemaxX, City, Sendlinger Tor, Gloria, Solln, Leopold Kinos, Mathäser, Münchner Freiheit, Neues Maxim, Rio
Regie: Fatih Akin (D, 106 Min.)

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