Auf der Jagd nach Osama bin Laden

Darf ein Rechtsstaat foltern, um einen weltweit gesuchten Terroristen zu fangen? Der Politthriller „Zero Dark Thirty” reflektiert meisterhaft, wie es gelungen ist, Osama Bin Laden aufzuspüren
Florian Koch |
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Darf ein Rechtsstaat foltern, um einen weltweit gesuchten Terroristen zu fangen? Der Politthriller „Zero Dark Thirty” reflektiert meisterhaft, wie es gelungen ist, Osama bin Laden aufzuspüren

Schwarz ist die Leinwand, verzweifelt die verzerrten Stimmen. Es sind Gesprächsfetzen von Opfern und Helfern am Tag des 11. Septembers 2001, die Kathryn Bigelow ihrem neuen aufwühlenden Film „Zero Dark Thirty” voranstellt. Wenig später wird man wieder diese Verzweiflung hören, aber diesmal stammt sie von einem mutmaßlichen Täter, dem US-Gefangenen Ammar (Reda Kateb).
Um Informationen über die El-Kaida aus ihm herauszupressen, wendet CIA-Agent Dan (Jason Clarke) das „Waterboarding” an, eine Foltermethode, bei der die Atmung mit einem ständig mit Wasser übergossenen Tuch erschwert wird. In ihrer kühlen Detailgenauigkeit sind diese Szenen, in denen Ammar auch noch wie ein Hund splitternackt gassigeführt oder in einen viel zu engen Kasten gesperrt wird, kaum zu ertragen.

Aber wie Bigelow und ihr kongenialer Autor Mark Boal mit der Berufung auf geheime, seriöse Quellen betonen, entsprachen die Folterungen der Wirklichkeit. Und in ihrem Anspruch, mit „Zero Dark Thirty” eine fast dokumentarische Reportage der Ereignisse, die zum Aufspüren von bin Laden führten, zu leisten, wollten sie nicht darauf verzichten. Zur Frage, ob ein Rechtsstaat auf diese eher tödlichen, als todsicheren Verhörmethoden zurückgreifen sollte, bezieht der Film bewusst keine Stellung.

Bigelows anstrengend-anspruchsvoller, weil faktenlastiger Politthriller ist streng gegliedert. Erst die Recherche, zu der auch endlose „harmlose” Befragungen, Abhörmaßnahmen und Strategiediskussionen im CIA-Hauptquartier gehören. Dann glaubt man über einen bestochenen Arzt an entscheidende Informationen zu kommen, was sich als tödlicher Fehlschlag herausstellt. Und später folgt noch die schulbuchmäßig durchgeführte Jagd auf einen der engsten Vertrauten bin Ladens.

Der Navy-Seals-Angriff um 0.30 Uhr (im US-Militärjargon: „Zero Dark Thirty”) auf bin Ladens Festung in Pakistan bildet dann den fantastisch inszenierten, kathartischen Abschluss des Films.
Auf diese Reise in das Herz der Finsternis, bei der die Politik vordergründig kaum eine Rolle spielt, wird der Zuschauer von Maya (Oscarnominiert: Jessica Chastain) begleitet – eine der spannendsten Frauenfiguren der letzten Jahre. Die rothaarige CIA-Agentin bleibt beim ersten Folterschock noch in der Beobachterrolle, aber das wird sich ändern. Der Ekel und die Scham sind der zierlichen Frau hier noch anzusehen, aber auch der Wille durchzuhalten, dem Wahnsinn weiter ins Auge zu blicken. Diese Getriebenheit prägt ihren Charakter.

Maya ist eine, die sich festbeißt, die sich aufreibt, bis der Feind – in diesem Fall Osama bin Laden – gefunden und „erlegt” ist. Dem Weiblichen zugeschriebene Eigenschaften wie ein Hang fürs Emotionale finden sich bei ihr nicht. Maja arbeitet 24 Stunden, sieben Tage die Woche härter, präziser, besessener als jeder Mann – ein Privatleben existiert für sie nicht. Und dennoch ist dieser „Killerwolf” kein empfindungsgestörter Roboter. Das zeigt bereits Mayas Bildschirm-Hintergrundbild, auf dem man ihre einzige Bezugsperson sieht: eine bei einem Anschlag ums Leben gekommene CIA-Agentin. Endgültig alle Gefühls-Dämme brechen bei ihr, als sie gefunden hat, worauf ihr ganzes Leben ausgerichtet war. Was dann bleibt? Leere.

Kino: Atelier (OmU), CinemaxX, Mathäser, Münchner Freiheit, Cinema (OV)
R: Kathryn Bigelow (USA, 157 Min.)

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