"Asteriod City" von Wes Anderson: Leider belanglos

Es gibt dieses zynische lateinisch Sprichwort: "Betrüge die Welt, sie will betrogen werden." Im Film ist das natürlich auch so, weil man ja weiß, dass man – meist – eine fiktive Geschichte serviert bekommt, der man sich aber gerne hingibt.
Wes Anderson ist da noch witziger: Seine Geschichten sind meist so stilisiert, lustig bizarr, dass man immer weiß, dass man quasi in Phantasia gelandet ist: intensive Pastellfarben, Saguaro-Kakteen aus Pappmaché, ein Laubsägearbeiten-Motel, eine Gas-Station und ein Diner – und alles in Spanien, das hier die Wüste von Utah oder Nevada in der Nähe des Monument Valley mimt.
"Asteroid City" von Wes Anderson: Ein Blick hinter die Kulissen einer TV-Serie
Wir sind in "Asteroid City", einem Kaff, wo vor dreitausend Jahren ein Meteorit eingeschlagen hat. Es sind die 50er Jahre in den USA, der Ufo-Glaube ist auf einem Höhepunkt, was rückblickend psychologisch mit Atomraketen- und Sowjet-Invasionsängsten erklärt wird. Jetzt wird hier auch noch ein Außerirdischer mit Raumschiff landen, um nach dem Rechten zu sehen.
Wes Anderson betrachtet diese anderseits uramerikanische Selbstbewusstseins- und Wohlstandsperiode sympathisierend, verklärend, aber natürlich ironisch. Und er mischt gleich noch eine weitere Brechungsebene ein, indem als Rahmenhandlung ein TV-Moderator (Bryan Cranston) noch in die Schwarzweiß-Kamera erklärt, wir dürften jetzt gleich hinter die Kulissen einer TV-Serie blicken – eben "Asteroid City".
Neuer Film von Wes Anderson: Am Atompilz stört sich keiner
Und wirklich kommen wir in das ebenfalls klischee- und kulissenhafte Anwesen eines Starautors (Edward Norton), der in seinem One-Man-Writers-Room mit einem Whiskeyglas an der Schreibmaschine sitzt, natürlich auch das Casting-Recht hat – und prompt mit dem möglichen Hauptdarsteller ins Bett geht...

Bevor der Film in die eigentliche Serienstory eintaucht, konzentriert sich alles auf den modelleisenbahnartigen Musterort Asteroid City, wo mit einem gelegentlichen Rumms und folgendem Atompilz am Horizont US-Atomtests stattfinden, an denen sich natürlich keiner stört.
Es gibt Regisseure, bei denen wollen immer alle mitspielen und akzeptieren auch die kleinsten Nebenrollen. Wes Anderson hat sich diesen Status mit amüsant-skurrilen Filmen wie "Darjeeling Limited", "Moonrise Kingdom" oder "Grand Budapest Hotel" und "The French Dispatch" erfilmt.
Scarlett Johansson, Tom Hanks, Bryan Cranston und mehr: Star-Aufgebaut in "Asteroid City"
Aber diesmal ist das Witzigste nur, dass man Scarlett Johansson mit brünetten Haaren als Hollywoodstar erlebt, der auf der Durchreise in Asteroid City hängen bleibt. Hier ist auch Jason Schwartzman als jüdischer Familienvater durch eine Panne (Matt Dillon kümmert sich als Automechaniker darum) gestrandet. Er verliebt ich in Johannson, schmachtet sie wie Charly Brown aus dem Fenster starrend an, wird aber von seinem hinterhergereisten Schwiegervater (Tom Hanks) unterdrückt.
Jeffrey Wright ist ein General, der unter Teenie-Nerds eine Siegerehrung von "Jugend forscht" vornimmt, in deren Jury die Astrowissenschaftlerin (Tilda Swinton) ist. Bei der Preisverleihungszeremonie landet aber überraschend ein Ufo, ein netter, in die Länge gezogener C3-PO (Jeff Goldblum) steigt aus und nimmt den fußballgroßen Meteoriten, die Attraktion des Ortes, einfach mit.
Den Storywitz bezieht der Film aber ausschließlich daraus, dass die Stadt nach dem Ufo-Vorfall kurz militärisch abgeriegelt wird. Und jetzt sitzen erst einmal auch noch alle anderen fest: Adrien Brody, Willem Dafoe, Steve Carell, Margot Robbie.
Man kann diesen Film also gut amüsiert anschauen, aber letztlich ist er belanglos – auch weil es eben keine Auseinandersetzung mit den auftauchenden Phänomenen gibt und keine gesellschaftliche Reflexion, abgesehen von einer Unmenge Anspielungswitzchen und Augenzwinkern – und die angedeuteten großen Woody-Allen-Themen Liebe, Trauer, Tod bleiben eben nur Hintergrund im Kulissenschatten. Aber genau das hatte ja schon zu Anfang der TV-Moderator angekündigt: ein Blick in das Making-of einer Bestseller-Heftchenroman-Soap.
Kino: Arena, Arri, Cinema, City, Leopold, Monopol, Museum, Neues Rex, Neues Maxim, Rio; R: Wes Anderson (USA, 106 Min.)