An den eigenen Grenzen: Denzel Washington "Fences" in der AZ-Kino-Kritik
Was geht uns der Rassismus der USA vor 60 Jahren an? Wenn der Film ursprünglich ein mit dem Pulitzerpreis geehrtes Theaterstück von August Wilson aus dem Jahr 1987 war, warum lässt man es dann nicht auf der Bühne? Zwei berechtigte Einwände, die von Denzel Washington nicht nur widerlegt, sondern ins Gegenteil gekehrt werden.
Washington ist nicht nur Regisseur und Produzent von "Fences", er hat auch noch die Hauptrolle übernommen als Troy Maxson. Der ist ein schwarzer Müllmann in der Arbeiterstadt Pittsburgh, ein stolzer, gesellschaftlich wacher Mann, der in seinen eigenen vier Wänden mit dem jüngsten Sohn und seiner zweiten Frau wohnt und ihr treu freitags die Lohntüte in die Hand drückt. Ja, er ist auch patriarchalisch, Freizeittrinker, und er kann wunderbar flunkernd Geschichten erzählen. Und der Lattenzaun, den er um den kleinen Hintergarten zieht, ist ein weiterer, äußerer Baustein, seinen Claim als innere Sicherheits- und familiäre Herrschaftszone abzustecken.
"Und was ist mit meinen Träumen?"
Aber in diesem Privatbereich enthüllt sich – teils durch Erzählungen, teils durch Besuche oder Streits – ein unfassbar spannendes Lebensgeflecht: Die Sehnsucht nach Ausbruch, das Gefühl, woanders mehr man selbst sein zu können als in den eingerichteten Strukturen, verpasste Lebenschancen, die uns gegenüber unseren eigenen Kindern hart machen. Dabei ist es egal, ob die Zwänge, in denen Troy gefangen ist, durch die Erfahrung einer rassistischen Gesellschaft entstanden sind oder durch andere Faktoren. Troy bleibt ein eigenverantwortlicher Mann, der vieles richtig gemacht, ja gemeistert hat und jetzt versagt, wenn es darum geht, ehrlich zu sein, zu reden, Gefühle und neue Freiheiten zuzulassen.
In einer der berührendsten Szenen fleht sein Sohn Troy um Liebe an und darum, ihm als Footballtalent an ein College gehen zu lassen. Aber Troy hält den Sohn für zu verweichlicht für den Lebenskampf, wie er ihn selbst erlebt hat. Statt Liebe kann Troy nur Autorität und sein Verständnis von väterlichem Pflichtgefühl anbieten: "Solange Du Deine Füße unter meinen Tisch ..."
"Fences" ist ein atemberaubend differenziertes Porträt eines beeindruckenden, charmanten, dann wieder erschreckend hart gewordenen, fehlbaren Mannes und Familienvaters. Und wenn in der zentralen Krise seine Frau Rose (Viola Davis) ihn mit der Frage konfrontiert: "Und was ist mit meinen Träumen?", dann bekommt die Geschichte der Zertrümmerung mit dieser starken Frau, die aber ebenfalls in Rollenbilder eingezwängt ist, wieder in ein emotionales Gleichgewicht. Und die Chance, das Leben doch noch zusammen zu meistern. Und bei all den intensiven Bildern, die durch die bewegenden Schauspielleistungen getragen werden, fällt einem gar nicht auf, dass "Fences" das Kleinbürgerhaus in Pittsburgh fast nie verlässt. Die theatralische Beschränkung auf wenige Räume ist hier nicht Beschränkung, sondern Intensivierung.
Kino: Arena sowie Cinema, Museum (OV) Regie: Denzel Washington (USA, 135 Min.)
- Themen:
- Rassismus