Amy Winehouse: Im Kino ein wenig weichgespült
Das wirklich Schockierende an der Meldung über Amys Tod war ja, dass niemand schockiert war", sagt Asif Kapadia, der 2015 mit der Doku "Amy" die erschütternde und oscarprämierte Chronik eines angekündigten Todes in die Kinos brachte.
Jahrelang hatte die Weltöffentlichkeit per Videos und Paparazzi-Fotos am körperlichen und psychischen Verfall von Amy Winehouse teilnehmen können. An der Seite ihres Kurzzeit-Ehemannes Blake Fielder-Civil war sie von weichen auf harte Drogen umgestiegen und besuchte später mehrere Male Entzugskliniken.
Ihr letzter öffentlicher Auftritt im Juni 2011 auf einem Open-Air in Serbien ist jederzeit auf Youtube abrufbar - ein Horrorvideo. Wenige Wochen später, am 23. Juli, starb Amy Winehouse im Alter von nur 27 Jahren an einer Alkoholvergiftung. Seitdem läuft die Vermarktungsmaschine mit immer neuen Erinnerungsbüchern und nun einem zweistündigen Spielfilm.
Von John Lennon zu Amy Winehouse
Regisseurin Sam Taylor-Johnson debütierte 2009 mit "Nowhere Boy" über den jungen John Lennon (und ist bis heute mit dem 24 Jahre jüngeren damaligen Hauptdarsteller Aaron Taylor-Johnson liiert). In "Back to Black" wählt sie den leicht weichgezeichneten Blick auf das dramatische Leben der Soulsängerin.
Amy (Marisa Abela) wächst in einer musikbegeisterten Londoner Familie auf, vor allem Oma Cynthia (Lesley Manville) ist ihre Stilikone, begeistert durchforstet sie deren Jugendfotos. Vater Mitch, der die Familie schon verlassen hat, ist Jazzfan und und musikalischer Ratgeber. Sie selbst nennt sich ein "Retro-Girl". Sie komponiert ihre eigenen Lieder und tritt in Clubs auf, aber der Film gibt nur wenig Einblick in die kreative Arbeit der hochtalentierten und auch ehrgeizigen Künstlerin.
Mit nur 19 Jahren erhält sie ihren ersten Plattenvertrag bei Island Records und schafft den nationalen Durchbruch. Bald aber lernt sie Blake Fielder-Civil (Jack O'Connell) kennen, und die schon zuvor psychisch instabile Sängerin erlebt eine neue Dimension von Glück und vor allem Verzweiflung. Letztere wird sie auf dem Album "Back to Black" verarbeiten. Nach der Veröffentlichung ist sie ein Weltstar - und Sam Taylor-Johnsons Film rutscht ab in die Bebilderung von vielen Szenen, die man bereits mit der realen Amy gesehen hat.
Fünf Grammys und keine Freude
Und dann verschenkt der Film die dramatische Kraft der Sternstunde in Amys Karriere: Im Februar 2008 läuft die Grammy-Verleihung in Los Angeles. Amy wird per Satellit aus den Riverside-Studios in London zugeschaltet und tritt auch auf. Sie ist seit ein paar Wochen clean. Sie erhält fünf Grammys. Die Welt liegt ihr zu Füßen. In Kapadias Doku wird eine Freundin zitiert, der Amy hinter den Kulissen sagt: "Weißt Du, ohne Drogen ist das alles so langweilig."
Im Film steht sie nach der Veranstaltung rauchend vor den Studios und schaut mit leerem Blick auf die Themse, während ihre euphorisierte Band feiern möchte. Und so geht es mit fast jeder Szene: ein Biopic als geglättete Version des wahren Lebens.
Besonders gnädig geht die Regisseurin mit Amys Vater um, den Eddie Marsan als gutmütigen Kerl spielt, der bisweilen an den Stimmungsschwankungen seiner Tochter verzweifelt.
Marisa Abela ist überzeugend
In Wirklichkeit besuchte er sie auch, als sie eine Auszeit in der Karibik nahm, um der medialen Dauerbelagerung und den harten Drogen zu entgehen - und hatte ein TV-Team eines Privatsenders im Schlepptau.
So rettet allein Marisa Abela diesen Film. Sie nähert sich nicht nur stimmlich Amy Winehouse an, sondern spielt mit viel Verve die ganze emotionale Achterbahnfahrt durch. Ihr gelingt es in den besten Momenten des Films, spürbar zu machen, warum diese junge Frau mit dem Beehive die Welt um den Finger wickeln konnte.
K: Astor im Arri, Astor im Bayerischen Hof, Royal, Cadillac sowie Leopold (auch OmU), City (OmU) und Cinema, Museum, Cinemaxx (OV), Mathäser (alle Versionen)
R: Sam Taylor-Johnson
(GB 122 Min.)
Das Leben weich
gezeichnet
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