Am Fuße des Drachen

Peter Jackson hat aus Tolkiens „Der kleine Hobbit“ drei Filme gemacht, nun kommt „Smaugs Einöde“, der zweite Teil, in die Kinos
von  Martin Schwickert

Mit der Verfilmung der Trilogie „Herr der Ringe“ schrieb Regisseur Peter Jackson Filmgeschichte. Der Neuseeländer verantwortete auch „King Kong“ und verfilmte Tolkiens „Hobbit“ als Dreiteiler. Der zweite Teil kommt am Donnerstag in die Kinos.

AZ: Herr Jackson, was macht in unserer modernen, hoch technisierten und krisengeschüttelten Zeit die Faszination für solch archaische Fantasy-Welten aus, wie sie Tolkien in seinen Büchern und Sie in Ihren Filmen entwerfen?

PETER JACKSON: Vielleicht ist gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten die Sehnsucht, sich in eine andere Welt zu flüchten, besonders stark. Aber Tolkien ist auch einfach ein sehr guter Schriftsteller, der in einer lebendigen Sprache spannende Geschichten mit faszinierenden Charakteren erzählt. Als Professor in Oxford hat er die alten Mythologien gründlich studiert. Er kannte sich in der nordischen Sagenwelt genauso gut aus, wie in der griechischen Mythologie. Mit seinen Romanen versuchte er für England eine eigene, neue Mythologie zu erschaffen. In seinem Heimatland gingen die alte Sagen verloren, als 1066 die Normannen die britische Insel eroberten und die mündlich überlieferten Geschichten nicht mehr weiter tradiert wurden. Tolkien kannte die Regeln der Mythologien und hat danach seine Geschichten entworfen. Dadurch sind seine Werke zeitlos geworden.

Mit „Herr der Ringe“ gehören Sie zu den Pionieren der digitalen Bildproduktion. Sind dank der Filmtechnologie heute der Kreativität keine Grenzen mehr gesetzt?

Heute kann man alles, was man sich vorstellt, auf die Leinwand bringen. Dadurch sind wir jetzt aber auch an einem Punkt angekommen, wo das Geschichtenerzählen wieder wichtiger wird. Bis zu einem bestimmten Punkt kann man das Publikum mit verblüffenden Effekten und moderner Technologie bei der Stange halten, aber eigentlich kommt es heute im Kino wieder mehr darauf an, dass man Figuren und Emotionen auf die Leinwand bringt, auf die sich die Zuschauer einlassen können.

Hat sich durch den technologischen Fortschritt in den zehn Jahren, die zwischen „Herr der Ringe“ und „Der Hobbit“ liegen, Ihre filmische Herangehensweise geändert?

Es ist keine andere Herangehensweise, aber auf jeden Fall ein höheres Maß an gestalterischer Freiheit. Die letzten zwanzig Minuten des Films habe ich beispielsweise fast ausschließlich selbst mit der Handkamera gedreht. Die mit Gold gefüllte Höhle des Drachen haben wir als digitalen Raum geschaffen, in dem ich dann mit der Kamera frei umhergehen konnte. Auf diese Weise sehen die Sequenzen fast wie ein Dokumentarfilm eines Kriegsberichterstatters aus. Ich habe mich als Regisseur inmitten meines eigenen Filmes bewegt. Der Drache ist direkt über meinem Kopf hin- und hergelaufen und ich konnte mich mit der Kamera genau dort positionieren, wo sein Fuß aufsetzt.

Wodurch unterscheidet sich Smaug, der Drache, von herkömmlichen Filmmonstern?

Es gab ja im Kino schon viele Drachen und deshalb haben wir uns Mühe gegeben, Smaug so gerissen und gefährlich wie möglich gestalten.

Sie mussten harte Kritik von Seiten der Tolkien-Puristen einstecken wegen der narrativen Freiheiten, die Sie sich genommen haben. Im zweiten Teil haben Sie mit der Elben-Kämpferin Tauriel eine weibliche Figur hinzuerfunden, wie kam es zu dieser Quotenfrau?

In seinen Büchern ist Tolkien der Erzähler, der sich viel Raum nimmt seine Figuren zu beschreiben. Im Film hat der Regisseur nicht die Möglichkeit als Erzähler aufzutreten, sondern muss die Geschichte durch Dialoge, das Verhalten und die Entscheidungen der Figuren erzählen. Die Romanvorlage von „Der Hobbit“ verfügt nicht über viele Figuren mit einer großen Tiefe und deshalb mussten wir die Geschichte um einige Charaktere erweitern. Der Elbenkönig hat in der Buchvorlage nicht einmal einen Namen. Aber wir wollten die Geschichte der Elben erzählen und dafür mussten wir einige Charaktere hinzufügen. Dabei haben wir uns bewusst für eine zusätzliche weibliche Figur entschieden, gerade weil im Buch keine Frauen vorkommen.

Sie haben in „Der Hobbit: Smaugs Einöde“ wieder einen Cameo-Auftritt, wie in den meisten ihrer Filme – dieses Mal als Mann, der gerade eine Taverne verlässt und dabei eine Karotte isst. Wie kam es dazu?

Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet, diese Rolle zu spielen. Aber ernsthaft: Ich hatte keine andere Wahl, weil alle darauf gewartet haben, dass ich wieder auftauche. Es begann als Spaß und jetzt habe ich damit richtig Verantwortung auf mich geladen...

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