Altersperfektion im Verdi-Requiem
Die Dirigenten Daniel Barenboim, Riccardo Chailly und Mariss Jansons gestalten mit Solisten wie Elina Garanca, Anja Harteros und Jonas Kaufmann das Finale der Salzburger Festspiele.
Daniel Barenboim, Riccardo Chailly und Mariss Jansons im Finale der Salzburger Festspiele: das Requiem ist eigentlich ganz einfach zu besetzen. Man braucht nur die vier besten Verdi-Sänger der Welt. Leider sind sie nicht immer frei, weshalb viele Aufführungen dieser Totenmesse trotz schöner Chor- und Orchesterarbeit ein wenig unbefriedigend bleiben.
Aber wozu gibt es Festspiele? Zum Finale des Salzburger Sommers reisten das Orchester und der Chor der Mailänder Scala mit ihrem Chefdirigenten Daniel Barenboim an. Als Solisten im Verdi-Requiem wurden Anja Harteros, Elina Garanca, Jonas Kaufmann und René Pape aufgeboten: Die drei Deutschen und die Lettin sind im italienischen Fach geschmackssicher und diversen wild schluchzenden Kollegen entschieden vorzuziehen. Alle vier überwältigten durch Diskretion und Geschmack – Anja Harteros beispielsweise gelang unvergesslich die leise Anrufung des Erzengels Michael im Offertorium.
Daniel Barenboim – musikalisch ebenfalls unter die Deutschen zu rechnen – verstand das Requiem als Ausdrucksmusik und lud jeden Moment mit persönlichem Espressivo auf. Obwohl er die Dramatik hervorkehrte, blieb die Aufführung stets kontrolliert und detailgenau.
Der sehr homogene, klangschön singende Chor und das Orchester brachten ihre eigene Tradition ein – zusammen mit dem exzellenten Solistenquartett gelang dem offenbar zu einer Altersperfektion wild entschlossenen Daniel Barenboim im Großen Festspielhaus eine umjubelte, nahezu ideale Aufführung dieses heiklen Stücks.
Aber das war noch nicht alles. Traditionell gastiert am letzten Wochenende der Festspiele noch einmal die Orchester-Weltelite. Nach 25 Jahren Pause wieder einmal das Gewandhausorchester Leipzig. Es ist ohne Frage ein Klangkörper mit allerhöchsten Qualitäten und einem schönen dunklen und bisweilen auch etwas eckigen deutschen Klang – eigentlich ideale Voraussetzungen für Gustav Mahlers Sechste Symphonie.
Untergangs-Reißer ohne echte Tragik
Leider wirkte der Chefdirigent Riccardo Chailly an diesem Abend in seiner Tempogestaltung etwas uninspiriert. Die Musik floss glatt dahin. Im Finale beeindruckten die Kraftreserven des Orchesters, doch die Interpretation blieb glatt: Chailly inszenierte einen theatralischen Untergangs-Reißer im Breitwandformat, ohne dass sich ein Gefühl echter Tragik eingestellt hätte.
Es war gewiss nicht schlecht, aber es fehlten die letzten zehn Prozent. Wie Mahler wirklich geht, bewiesen einen Abend später Mariss Jansons und das Amsterdamer Concertgebouw Orkest. Auf das von Leonidas Kavakos elegant und ohne folkloristisches Paprika hingelegte Violinkonzert Nr. 2 von Béla Bartók folgte Mahlers Erste.
Jansons konzentrierte sich bereits im Kopfsatz auf die Verdüsterungen, den Halbschatten und den gebrochenen Ton. Er eilte mit dem Orchester nicht von Höhepunkt zu Höhepunkt, sondern ließ die ruhigen Momente etwas breiter ausspielen.
Die Musik floss nicht nur geschäftsmäßig dahin. Die Satzschlüsse kamen als Pointen, Jansons unterschlug auch nicht den gewaltsamen Durchbruch der einleitenden Trompetenfanfare am Ende des ersten Satzes. Das Scherzo war eine monumentale Kammermusik, in der die Orchestergruppen miteinander in Dialog traten. Im Finale betonte der herausragende Mahler-Interpret wiederum das Herbeigezwungene beim Choral und dem dröhnenden Optimismus. Eine Deutung, die Herz und Hirn versöhnte.
Mit seinen Amsterdamern musiziert der Lette etwas entspannter und gelassener als beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Hoffentlich bringt er diese Ruhe in der kommenden Saison auch nach München mit.