Almodóvars neuer Film "Madres Paralelas": Alles über diese Mütter

Pedro Almodóvars neuer Film "Madres Paralelas", der die Filmfestspiele von Venedig eröffnet, ist ein Meisterwerk.
Adrian Prechtel
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Milena Smit und Penélope Cruz spielen zwei Schwangere unterschiedlicher Generationen, die sich immer näher kommen.
Milena Smit und Penélope Cruz spielen zwei Schwangere unterschiedlicher Generationen, die sich immer näher kommen. © Biennale Venezia

Natürlich hatte auch Italien die letzten anderthalb Jahre eine Kinokrise - mit einer kleinen Renaissance der Autokinos, die hier aber immer schon etwas beliebter waren, weil viele Jüngere ja lange bei den Eltern wohnen (müssen). Und da ist der Parkplatz halt ungestörter.

Viele zusätzliche Kinospielstätten zum 78. Filmfestival in Venedig

Venedig wiederum hat ja nur einen hässlichen Touristenparkplatz. So überbrückte ein Barch-in die Situation, ein Schiffskino beim Krankenhaus. Weil die allermeisten akkreditierten Journalisten keine Venezianer sind und die vielen angereisten Schaulustigen auch kein Boot haben, gibt es zum 78. Filmfestival viele zusätzliche Kinospielstätten, denn Italien und der Veneto halten an 3-G und Schachbrettsitzordnung fest, sodass zusätzlich noch das Sportstadion mit 650 Plätzen an der Lagune als Freiluftkino eröffnet wurde.

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Ein melodramatisches Wechselbad intensivster Gefühle

Was funktioniert, da sich nach dem ersten großen Spätsommergewitter, das die Modenschau von Dolce & Gabbana im Arsenal und am dafür gesperrten Markusplatz unter Wasser setzte, das Wetter wieder gefangen hat.

So umspielen angenehme Mittzwanziger-Grade die Eröffnungsgala und den Eröffnungsfilm "Madres Paralelas" von Pedro Almodóvar. Der ist ein wunderbarer Eröffnungsfilm, weil er alles vereint, was Kino zu einer bewegend großen Sache machen kann: eine eigene Bildersprache, eine nachdenkenswerte, komplexe Geschichte und lockende, talentierte Stars.

Zwei Familienaufstellungen mit einer dominanten und einer Hippie-Mutter

Penélope Cruz, mit ihren vom Leben fast ungezeichneten 47 Jahren, spielt eine 40-Jährige, die nach einem schönen One-Nachmittag-Stand schwanger ist. Sie begreift das Kind als späte Chance und lernt auf der Entbindungsstation eine Teenage-Schwangere (Milena Smit) kennen.

In den nächsten zwei Stunden wird man dann Zeuge eines Erzählwunders, denn Almodóvar verwebt deren Schicksale so wendungsreich, dass man gebannt auf das Wechselbad der intensivsten Gefühle schaut - zwischen Mutterschaft, Euphorie und Zweifel, Erfülltheit und Kindstod, Erotik und Sex.

So sieht man wunderschöne Szenen, deren intensivste eine lesbische zwischen Cruz und Smit ist, die wiederum zeitweise vieles durcheinanderwirbelt. Das allein aber ist Almodóvar, dem Meister des intelligenten, wilden Melodrams ohne falsche Gefühle, zu wenig. Er baut noch Familienhistorien ein, so dass sich zwei Familienaufstellungen mit einer dominanten und einer Hippie-Mutter ergeben. Was wiederum an den Zuschauer die Frage stellt, wie frei wir selbst in unseren Prägungen wirklich sein können und wie wir sie uns bewusst machen sollten.

Aufwühlender Film in klassisch komponierten Bildern

Und weil das noch nicht genug ist, spielt auch noch die faschistische Vergangenheit Spaniens hinein, die - untot und nie richtig aufgearbeitet - weiterwirkt. Das alles ist so dicht, dabei klar und elegant zusammengebracht, dass ein aufwühlender Film entstanden ist, der in klassisch komponierten und farbstarken Bildern sogar eine Art glaubwürdiges Happy End anbietet. Dabei fesselt "Madres Paralelas" über den Abspann hinaus immer mehr, je länger man Schicht um Schicht über immer weitere psychologische Wahrheiten nachdenkt.

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Filmfestspiele in Venedig: Roter Teppich dicht gemacht

So kann die 78. Mostra Internationale d'Arte cinematografica wirklich eine Kinorenaissance feiern, auch wenn diesmal die Eröffnungs-Strandparty im Palasthotel Excelsior nur im kleinsten Kreis stattfindet.

Aber von den Stars bekommt man - entgegen dem offenen Ruf des Festivals - in diesem Jahr von außen ohnehin so gut wie nichts mit: Der rote Teppich, an dem sonst gemessen werden kann, welche Stars ihr Publikum wirklich lieben und wie lange sie am Rande Autogramme und Selfies geben, ist hinter einer weißen Wand dicht gemacht.

Auch das zeigt, wie hart Italien die Coronazügel wieder angezogen hat, mit einer Green-Pass-Pflicht in Zügen und Flugzeugen und einer Null-Toleranzlinie gegen Impfverweigerer im öffentlichen Dienst, im Gesundheitswesen und beim Transportpersonal.

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