Almodóvar in Venedig: Hartes schön golden verpackt
Abergläubische meinen, es bringe Unglück, jemanden vor seinem Geburtstag zu gratulieren. In gut zwei Wochen wird Pedro Almodóvar 75 Jahre alt. Aber seinen Goldenen Löwen bekam er auf der Abschlussgala am Samstag in Venedig nicht für sein Lebenswerk. "The Room Next Door" mit Tilda Swinton und Julianne Moore gewann den Goldenen Löwen als bester Film des Wettbewerbs der 81. Filmbiennale am Lido.
Damit war die Jury unter Isabelle Huppert mit Kritikern und Publikum einer Meinung. Denn bei allem Ranking in Zeitungen und Magazinen führte am Ende der Film über selbstbestimmtes Sterben und Frauenfreundschaft. Tilda Swinton spielt eine unheilbar an Krebs erkrankte Frau, deren Freundin sie in ein Ferienhaus begleitet, wo sie eine Todespille schlucken will, die sie aus dem Darknet organisiert hat. Womit der Film für die komplette Entkriminalisierung des Freitodes und allem Drumherum plädiert. "Der Mensch muss die Freiheit haben, zu leben und zu sterben", sagte Almodóvar dann auch auf der Bühne im Palazzo del Cinema.
In "The Room Next Door" geschieht das alles fast in Heiterkeit, mit leichtem Witz und kompletter ästhetischer Durchstilisierung, so dass das harte Thema in vollkommener Schönheit verpackt ist.
Beim ältesten Filmfestival der Welt gibt es die patriotische Regel, dass immer auch ein italienischer Film ausgezeichnet werden sollte. Nur war das schwierig, weil drei der vier italienischen Wettbewerbsbeiträge allenfalls mittelmäßig waren. So erhielt der relativ beste, "Vermiglio", den Großen Preis der Jury. Das ist durchaus gerechtfertigt, weil hier episch und berührend vom Leben der Familie eines Dorfschullehrers erzählt wird. Und hier nimmt das ruhige Drama vor allem das Leben der Mädchen und Frauen in den Blick. Die Regisseurin Maura Delpero schildert, wie noch am Ende des Zweiten Weltkrieges in den Bergen des Trentino Armut, Patriarchat und Katholizismus Frauen die Freiheit nehmen, das Leben selbst zu bestimmen. Aber diese Geschichte wird ohne Wut oder Agitation erzählt, sondern beschreibend, aber mit Empathie.
Den Silbernen Löwen für die beste Regie gewann der US-Amerikaner Brady Corbet für "The Brutalist". Das Historiendrama erzählt von einem jüdischen Architekten, der nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA ein neues Leben beginnen will. Hauptdarsteller des dreieinhalbstündigen Epos ist Adrien Brody.
"Der Film handelt von einer Figur, die vor dem Faschismus flieht und dann auf den Kapitalismus trifft", beschreibt Corbet seinen Film treffend, ohne den Horror zu vergleichen. Und trotz schwerer Themen ist keiner der ausgezeichneten Filme belehrend und alle haben große Kinoqualität.
Vincent Lindon hielt zu Recht den Preis für seine Darstellung eines alleinerziehenden Vaters in den Händen, dessen einer Sohn in die rechtsextreme Szene abwandert in "Juer avec le feu". Und Nicole Kidman bekam für ihren freizügigen Film "Babygirl" den Preis als beste Darstellerin. Dass sie am Lido nicht zur Löwengala erschienen ist, war einem nahen Trauerfall geschuldet: Kurz, nachdem Kidman in Venedig angekommen war, hat sie die Nachricht erhalten, dass ihre Mutter Janelle Ann gestorben sei. Das erzählte Regisseurin Halina Reijn auf der Bühne. Und las aus Kidmans Brief an das Festival vor:
"Ich stehe unter Schock und muss zu meiner Familie, aber dieser Preis ist für sie."
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