"A Quiet Place": Ein intelligenter Horrorfilm
Jede Familie wird sich an ihn erinnern, diesen einen Schrei, der glücklich macht. Kurz nach der Geburt. Wenn das Baby sich erstmals lebendig äußert. Doch was ist nur passiert, wenn eine werdende Mutter sich genau vor diesem ersten Lebenszeichen fürchtet? Ein solches Albtraumszenario entwirft John Krasinski in "A Quiet Place", einem preiswert produzierten Horrorfilm, der mit einem Wochenend-Ergebnis von über 50 Millionen Dollar für eine Sensation an den US-Kinokassen sorgte.
Mit "Get Out" gelang Jordan Peele im letzten Jahr ein ähnlicher Überraschungs-Gruselhit, ein Film, mit dem jetzt Krasinskis minimalistischer Nervenkitzler viel gemein hat. Denn unter dem Deckmantel eines klassisch erzählten Schockers versteckt sich auch in "A Quiet Place" eine Kritik am desolaten Zustand Amerikas – wenn auch weniger pointiert zugespitzt als in "Get Out".
Im Film versteckt sich eine Kritik am desolaten Zustand Amerikas
Tag 89: Ein von Menschen verlassener Vorort New Yorks. Mehr erfahren wir anfangs nicht in diesem Endzeitszenario, das sich vom Hoffnungslosigkeits-Einerlei vieler "The Road"-Ableger unterscheidet. Wir sehen eine Familie, die im Kaufhaus nach Vorräten fahndet – und sich dabei nur in Zeichensprache verständigt. Lee (John Krasinski), die schwangere Evelyn (Emily Blunt) und ihre drei Kinder, die gehörlose Tochter (Millicent Simmonds), ein schüchterner Sohn (Noah Jupe) und der jüngste Beau (Cade Woodward) wirken auf ihrem lautlosen Beutezug perfekt eingespielt.
Doch Beau kann beim batteriebetriebenen Space-Shuttle-Spielzeug einfach nicht widerstehen. Einst galt dieses Raumschiff als Symbol für den Fortschrittsglauben und Entdeckergeist Amerikas, nun löst es ein Trauma aus. Denn just in dem Moment, als Beau das Space Shuttle anstellt, schlagen sie zu, blinde fledermausartige Kreaturen, die alles und jeden töten, der ein Geräusch macht.
Nach dem Kindsmord an Beau verbarrikadiert sich die trauernde Familie auf einer Riesenfarm, versucht mit Ritualen wie dem gemeinsamen Essen und dem Monopoly-Spiel den Verlust zu überspielen.
"A Quiet Place" - Spannung wie bei einer lautlosen Geburt
John Krasinski, im wahren Leben mit Emily Blunt verheiratet, gelingt es dabei fantastisch, den Jetzt-Erst-Recht-Zusammenhalt der Eltern glaubwürdig zu vergegenwärtigen, aber auch die menschentypische Anpassung an die schrecklichen Gegebenheiten bis ins Detail stimmig nachzuzeichnen. So, wenn man sich nur noch barfuss auf angelegten Sandwegen fortbewegt und kurze Gespräche lediglich hinter einem Schallschutz-Wasserfall möglich werden. Subtil beschreibt Krasinski auch, wie ein archaisch-männliches Prinzip für die Nachfolgeneration nicht mehr greift, der ängstliche Junge nicht den Beschützer geben will, während in der eigentlich gehandicapten, aber innerlich starken Tochter der Schlüssel zum Überleben liegt. Und so funktioniert "A Quiet Place" in doppelter Hinsicht: als ungewöhnlich emotionales Genrekino mit beinharten Spannungssequenzen wie einer angestrengt lautlosen Geburt und als Spiegelbild für eine nicht allzu ferne Zukunft, in der die anständigen Bürger verstummen – weil sie ansonsten von den brutalen Machthabern zum Schweigen gebracht werden, für immer.
Kinos: Leopold, Cinemaxx, Gabriel sowie Mathäser, Gloria (auch OV) und Cinema (OV) R: John Krasinski (USA, 90 Min.)
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