"120 BPM" - Kampf dem Liebestod

Solidarität mit Erfolg: Der französische Film "120 BPM" erzählt von Aids-Aktivisten der 90er und der Kraft der Liebe.
von  Adrian Prechtel
Zorn wird Aktion und schafft gesellschaftliche Veränderung.
Zorn wird Aktion und schafft gesellschaftliche Veränderung. © Salzgeber

Indignez-vous! 2010 erschien von einem über 90-jährigen ehemaligen französischen Widerstandskämpfer und UN-Diplomaten der Essay: "Empört Euch!". Er wurde ein Millionenseller. Stéphane Hessel rief darin die heutige – angeblich viel zu passive – Jugend auf, zu rebellieren gegen die Ungerechtigkeit auf der Welt, die Untätigkeit gegen die Umweltkatastrophe und die steigende soziale Ungleichheit.

Aber Protestwellen hat es immer wieder gegeben. Und der französische Film "120 BPM" – 120 Schläge pro Minute – ist ein warmherziges Porträt des Schwulenemanzipationskampfes der frühen 1990er Jahre, als Mitterand regierte.

Aus Betroffenheit wird der Wunsch nach Aktion

Der Film von Robin Campillo zeigt, wie sich aus Betroffenheit (hier das Wüten des HIV-Virus’) der Wunsch nach Aktion ergibt. Denn die Infizierten und ihre Angehörigen fühlen sich im Stich gelassen: von der Politik, die das Problem als Randgruppenerscheinung bei Schwulen, Häftlingen und Drogenabhängigen ignorieren will, und von der Pharmaindustrie, die forscht, aber tödlich lange mit der Marktgängigkeit von Artzney wartet.

Fast dokumentarisch erlebt man schwierige Aktionsgruppen-Debatten (gewaltfrei oder hart?), House-Musik-Partyszenen (Lebenslust im Auge der Todesdrohung) und auch romantischen Männersex in einer anrührenden Liebesgeschichte.

In dreißig Jahren hat sich viel zum Positiven verändert

An deren Ende macht der Freund eines gerade Gestorbenen noch am Beerdigungstag ein Date aus: Das Leben muss weitergehen! Auch das ist eine frohe Botschaft. Aber die optimistische ist: Widerstand und Aktion sind nicht zwecklos. Denn schaut man auf die "Act-up"-Bewegung, kann man feststellen, dass sich seit dreißig Jahren eben doch viel zum Positiven verändert hat: Aids-Aufklärung, Medikamentenentwicklung und vor allem eine große Akzeptanz der Vielseitigkeit der Lebensformen. Und all das ist der Hintergrund, der "120 BPM" noch frischer leuchten lässt.


Kino: Atelier (OmU)
Buch & Regie: Robin Campillo (F, 144 Min.)

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