Kinderspiegel: Die kleinen Besserwisser von morgen
HAMBURG - Der Hamburger Verlag bringt mit "Dein Spiegel“ ein Heft für ganz junge Leser auf den Markt. Ein Testballon, der im Erfolgsfall in Serie gehen soll. Doch das wird schwierig.
"Und warum kämpfen die beiden?“ Unsere neunjährige Testleserin schielt auf die Unterzeile des Titelfotos und findet Rat: „Weil beide Chef von Deutschland werden wollen.“ „Genau. Und wer entscheidet das?“ Ihr Gesicht hellt sich schlagartig auf: „Ich weiß, der Papst!“
Der „Spiegel“ hat also doch Recht: Mit der politischen Bildung der Kleinsten ist es nicht sonderlich gut bestellt. Deswegen bringt das Magazin an diesem Montag unter dem ranschmeißerischen Motto „Dein Spiegel“ ein Heft für ganz junge Leser auf den Markt. Ein Testballon, der im Erfolgsfall in Serie gehen soll. Doch das wird schwierig, ist doch der Markt der Kinder-Titel extrem umkämpft und diversifiziert. Allein die Pferdehefte sind eine Fachwelt für sich!
Unserer Testleserin erging es wie so vielen erwachsenen „Spiegel“-Lesern: Sie überblätterte das langweilige Titelthema „Wahltheater“ einfach. Dafür las sie sich bei einer Geschichte über Piraten (echte und auf der Leinwand) fest. Die Aufbereitung des Themas Staatsschulden konnte das Blättern zur Pferde-Dressur hingegen nicht einen Sekundenbruchteil aufhalten. Immerhin fand auch der Bericht über das Tierlager im Frankfurter Flughafen noch Beachtung.
Aber gut, es gibt ja auch Junggenies wie etwa Viva (8 Jahre), die für „Dein Spiegel“ die Parteien auf Kindertauglichkeit befragt und bei der SPD lobt, „dass sie die Rechte der Kinder in das Grundgesetz aufnehmen“ will. Und hier liegt die Krux am „Kinderspiegel“, der Anspruch wirkt aufgesetzt. Selbst der achtseitige Manga-Comic kommt nicht ohne die Erläuterung über Hartz IV und die ein-Euro-Jobs aus. Die Lebenswirklichkeit der Leser dürfte bei einem Heftpreis von stolzen 3,40 Euro (88 Seiten) sicherlich anders aussehen.
Die weitaus billigere Konkurrenz auf dem Teenie-Sektor hübscht ihre Hefte mit Gimmicks, Kettchen oder sogar Mini-Radios auf, hier halten sich die Hamburger diskret zurück. Erstens wären wohl auch Steinmeier-Sticker auf dem Schulhof keinen Poldi wert- und zweitens richten sich Aufmachung und Teile des Inhalts gar nicht an Kinder, sondern an die Eltern der kleinen Besserwisser von morgen.
Volker Isfort
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