Kicken mit Kopftuch, trotz aller Verbote

Mit ihren Mitspielerinnen vom Fußballverein Al-Dersimspor hat Regisseurin Marlene Assmann ein Spiel gegen Irans Frauen-Nationalmannschaft organisiert und mit ihrem Bruder David in einer Doku festgehalten. Die Berliner Filmemacher über deutsch-iranischen Frauenfußball im Film „Football Under Cover“.
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Narmila Fathi steht in Berlin neben einem Plakat zu dem Kinofilm "Football Under Cover", in dem die Iranerin mitgewirkt hat.
dpa 2 Narmila Fathi steht in Berlin neben einem Plakat zu dem Kinofilm "Football Under Cover", in dem die Iranerin mitgewirkt hat.
Marlene (26) und David Assmann (30) sind Geschwister und realisierten gemeinsam die iranisch-deutsche Fußball-Doku.
dpa 2 Marlene (26) und David Assmann (30) sind Geschwister und realisierten gemeinsam die iranisch-deutsche Fußball-Doku.

Mit ihren Mitspielerinnen vom Fußballverein Al-Dersimspor hat Regisseurin Marlene Assmann ein Spiel gegen Irans Frauen-Nationalmannschaft organisiert und mit ihrem Bruder David in einer Doku festgehalten. Die Berliner Filmemacher über deutsch-iranischen Frauenfußball im Film „Football Under Cover“.

Mit ihren Mitspielerinnen vom Kreuzberger Fußballverein Al-Dersimspor hat Marlene Assmann (27) im April 2006 das Fußballspiel gegen die iranische Frauen-Nationalmannschaft in Teheran organisiert. Zum ersten Mal seit der islamischen Revolution 1979 durfte das Team, das sonst nur hinter verschlossenen Türen trainiert, in der Öffentlichkeit gegen eine andere Mannschaft antreten. Die Doku „Football Under Cover“ (siehe Kritik rechts), bei dem ihr Bruder David Assmann (30) und der Iraner Ayat Najafis gemeinsam Regie führten, zeigt den schwierigen Weg zu diesem historischen Sportereignis.

Z: Wie unterscheidet sich der Zugang einer Frau zum Fußball in Kreuzberg und Teheran?

MARLENE ASSMANN: Die Mädchen spielen im Park mit den Jungs und wollen dann, wenn sie älter werden, nicht damit aufhören. Das ist im Iran ähnlich. Aber ich habe gemerkt, wie viele Schwierigkeiten die Iranerinnen in Kauf nehmen, um weiter kicken zu können. So viel für den Sport aufzubringen und so wenig dafür zu bekommen – das ist eine ganz andere Situation.

Wie war die Stimmung unter den jungen Menschen?

DAVID ASSMANN: Die jungen Leute ziehen sich oft vollkommen zurück ins Private und halten sich von allem fern, was mit Politik zu tun hat. Deshalb habe ich großen Respekt für die Spielerinnen, die für etwas kämpfen, das nicht selbstverständlich ist.

Wie haben Sie den Alltag im Iran wahrgenommen?

MARLENE ASSMANN: Die Regierung verbietet so viel. Die sind ein wenig wie strenge Eltern. Und ich habe das Gefühl, dass dadurch viele Iraner gar nicht richtig aus der Pubertät herauskommen. Alkohol ist immer verboten und manche Teheraner Partys sind so wie die Feten, die wir mit 16 hatten.

DAVID ASSMANN: Die Menschen haben eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit den Vorschriften entwickelt, die uns von außen so absurd erscheinen. Es gibt eine starke Trennung von privater und öffentlicher Sphäre.

Wie wirkt sich diese Trennung aus?

MARLENE ASSMANN: Es ist schwer einzuschätzen, wie Leute, die man im öffentlichen Raum trifft, wirklich drauf sind. Das Misstrauen in der Gesellschaft ist schon sehr groß.

Die Organisation des Spiels war sehr schwierig. Hat die Anwesenheit der Kamera den Umgang mit den Behörden erschwert oder erleichtert?

DAVID ASSMANN: Wir haben von Anfang an klar gemacht, dass wir auch einen Film drehen wollen, und gehofft, dass die Zusagen zuverlässiger sind, wenn die Kamera dabei ist. Aber das hat nicht geklappt. Wahrscheinlich wäre es einfacher gewesen, das Spiel ohne den Film zu organisieren.

MARLENE ASSMANN: Aber wir wollten eben die iranische Frauenmannschaft, die niemand kennt, aus der Nische holen, wir wollten die Spielerinnen und die Zuschauerinnen ins Stadion holen, um eine große Öffentlichkeit zu schaffen.

Die Frauen beziehen vor der Kamera oft sehr deutlich Position gegen das Regime. Wie sind Sie als Filmemacher mit der Verantwortung gegenüber den Frauen umgegangen, die sich möglicherweise durch ihre Aussagen gefährden?

DAVID ASSMANN: Wir haben die Sicherheit unserer Protagonistinnen sehr ernst genommen. Aber es war klar, dass der Film im Iran nicht gezeigt werden kann.

Aber eine der Spielerinnen wurde dann aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen.

MARLENE ASSMANN: Ja, aber es ist nach wie vor unklar, warum Niloofar nicht mehr mitspielen durfte. Die Nationalmannschaft ist eine Auswahlmannschaft, und dass Niloofar nicht berufen wurde, kann viele Gründe haben.

DAVID ASSMANN: Wir haben niemand ins offene Messer laufen lassen. Dass Niloofar vor der Kamera kein Kopftuch trägt und sich als Junge verkleidet, um im Park zu trainieren – das war ihre Idee.

Das Rückspiel in Berlin ist von den iranischen Behörden kurzfristig abgesagt worden. Wie geht es weiter?

MARLENE ASSMANN: Wir waren von der Absage total überrascht, aber das hat uns gezeigt, dass die Entscheidungen der Behörden sehr beliebig sind und von uns nicht beeinflusst werden können. Deshalb machen wir erst wieder einen Anlauf, wenn der iranische Fußballverband eine Anfrage schickt und die Initiative von der iranischen Botschaft unterstützt wird. Aber das ist zur Zeit leider undenkbar.

Martin Schwickert

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