Kent Naganos Audienz beim Papst

Der Papst „taucht ein” in das Konzert des Bayerischen Staatsorchesters unter Kent Nagano im Vatikan
Robert Braunmüller |
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Die Münchner Philharmoniker waren als erste da. Ihnen folgte auf dem Höhepunkt des Ratzinger-Hypes das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Beethovens Neunter. Das wurmte natürlich die Musiker der Staatsoper. Nach heftigen Fürbitten von Kardinal Reinhard Marx wurden sie nun erhört: Am Samstag spielte endlich auch das Bayerische Staatsorchester vor Papst Benedikt XVI. in der Audienzhalle des Vatikan.

Der Heilige Vater hatte die Wahl zwischen Beethovens „Missa Solemnis”, einem Brahms-Programm und Bruckners Neunter einschließlich „Te Deum”.
Er entschied sich für den katholischsten aller Symphoniker, überschätzte aber die Zahl der Bruckner-Aficinados im kirchlichen Umfeld: Rund 1000 der 6500 Plätze des gewaltigen Saals mit der Anmutung einer Bahnhofshalle blieben unbesetzt. Die kostenlosen Karten wurden ans Diplomatische Korps und über kirchliche Behörden in einem mysteriösen Verfahren verschenkt, das einem auch beim dritten Papst-Gastspiel eines Münchner Orchesters niemand wirklich erklären konnte.

Die Staatsoper durfte 300 Karten an Sponsoren und treue Fans verteilen. Auch die Minister Ludwig Spaenle und Wolfgang Heubisch erholten sich vom Aktenstaub im Glanz der Kirche. Abstand hielt diesmal nur das Bayerische Fernsehen. Aber notfalls könnte es die Aufzeichnung der Kollegen von Radio Vatikan senden, die die Aufführung mit bonbonfarbenen Lichtern fernsehtauglich machten.
Aber, und darauf kommt es an: Dem Beschenkten gefiel es. In einer kleinen Ansprache dankte Joseph Ratzinger für das „Eintauchen" in die „tiefgründige Musik" Bruckners. Mit sanft-professoraler Stimme hielt er vor dem Segen auf italienisch eine knappe musikwissenschaftlich-theologische Vorlesung und deutete die „dem lieben Gott" gewidmete Symphonie als Darstellung des irdischen und himmlischen Lebens.

Dass sich die zwischen einer „Carmen” und dem sonntäglichen „Rosenkavalier” eingeflogenen Musiker einschließlich ihres Generalmusikdirektors anschließend bewegt zeigten, gehört zur geschäftigen Routine solcher Konzerte. Viel mehr bedeutete der Auftritt den 92 Sängerinnen und Sängern der Audi-Jugendchorakademie im Alter von 16 bis 27 Jahren. Sie bewältigten mit sanfter Verstärkung durch acht Profis aus dem Chor der Staatsoper das kräftezehrende „Te Deum” Anton Bruckners mit Frische und Bravour.

Erfunden wurde dieses Nachwuchsprojekt des Ingolstädter Autokonzerts vor drei Jahren von sangesfreudigen Mitarbeitern aus der Sponsoring-Abteilung. Die kannten und schätzten den mittlerweile an die Münchner Hochschule für Musik und Theater berufenen Chorleiter Martin Steidler aus gemeinsamen Passauer Jahren. Die Aufführung von Haydns „Schöpfung” begeisterte wiederum den Geiger Felix Gargerle vom Staatsorchester, der seinen Generalmusikdirektor auf den Chor aufmerksam machte.

Nach einem gemeinsamen Konzert für die neue Orgel in der Münchner Kirche St. Michael und einer nachfolgenden CD entschied Nagano, den Chor nach Rom mitzunehmen. Auf diese Weise sang auch die 21-jährige Katharina Schiller für den Papst. Sie bekam vor drei Jahren von ihrer Lehrerin im Musik-Leistungskurs am Germeringer Max-Born-Gymnasium einen Flyer in die Hand gedrückt. Sie wagte ein Vorsingen und wurde aus über 200 Mitbewerbern für den Chor ausgewählt, dem sie von Anfang an angehört.

Schiller, die inzwischen Mathematik, Physik und Musikwissenschaft in München studiert und Lehrerin werden möchte, lobt den „kräftigen und klaren Klang” des Chors. Auch Jessica Gschwendtner aus dem österreichischen Bad Goisern hat sich die Schulmusik als Ziel gesetzt.

Für die Sopranistin Theresa Kügl dagegen könnte die Jugendchorakademie zum Sprungbrett für eine professionelle Laufbahn werden: „Das Singen dort hat mein Selbstvertrauen gestärkt, mich für das Studium zu bewerben”, sagt sie. Mittlerweile studiert sie Gesang in Wien.

Dass der Autokonzern mit den vier Ringen seit Jahren zu den wichtigen Sponsoren der Staatsoper zählt, half natürlich bei der Finanzierung des musikalischen Geschenks an den Papst. Aber das Konzert ist mehr als ein Image-Plus für alle Beteiligten, weil die Chorakademie bestens zum Interesse Kent Naganos an der Nachwuchsförderung passt. Dass das Vatikan-Konzert nach langjährigem Antichambrieren am päpstlichen Hof zustande kam, verdankt sich allerdings vor allem der Beharrlichkeit einiger Musiker des Staatsorchesters. Dass diese ausgerechnet im 200. Jahr ihrer selbstverwalteten Akademiekonzerte belohnt wurde, ist ein schönes Zeichen und ein Versprechen für die Zukunft: Es ist immer gut, an langfristigen Zielen festzuhalten.

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