Keine Technokraten

Die St. Petersburger Philharmoniker spielten unter Yuri Temirkanow im gut besuchten Gasteig russische Musik von Liadow, Mussorgsky und Strawinsky
von  Abendzeitung

Die St. Petersburger Philharmoniker spielten unter Yuri Temirkanow im gut besuchten Gasteig russische Musik von Liadow, Mussorgsky und Strawinsky

Bis vor kurzem verschwiegen hasenfüßige Veranstalter auf ihren Plakaten nur Musik der letzten 50 Jahre. Jetzt trifft es auch unbekannte Spätromantiker wie den wackeren Anatol Liadow. Dabei ist seine den slawischen Poltergeist abbildende Tondichtung „Kikimora“ das rechte Vorspiel zu den „Bildern einer Ausstellung“, die von allerlei dämonischem Gelichter durchwittert werden.

Bei Liadow führten die St. Petersburger Philharmoniker ihre unverwüstlichen Tugenden vor: Abgerundete Wärme im Klang, kein selbstzweckhaftes Auftrumpfen oder grobschlächtig russisches Knarzen wie bei der Konkurrenz vom Mariinsky-Theater. Ihr Chef Yuri Temirkanow wirkt wie ein feinsinniger Professor. Angesichts so löblicher Tugenden wäre Brahms oder ein unaufgedonnerter Tschaikowsky mit ihnen ein Traum.

Leider hatten sie aber mit Ravels Instrumentierung von Mussorgskys Klavierzyklus und Igor Strawinskys „Petruschka“-Ballett andere Noten im Gepäck. Beide Stücke sind sarkastisch, grimmig, bisweilen kaltschnäuzig. Man muss solche Eigenschaften musikalisch nicht mögen, aber bei beiden Werken sind sie unerlässlich wie kraftvolles orchestrales Muskelspiel. Temirkanow wandelte höchst gemächlich durch die Ausstellung und bremste mit Detailverliebtheit zusätzlich den musikalischen Fluss. „Petruschka“ gebrach es an technischer wie rhythmischer Brillanz. Es waren die falschen Stücke für aller Ehren werte Musiker.

Robert Braunmüller

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