Keine Preis-Hemmungen
München: Am Montag beginnt der jährliche Musikwettbewerb der ARD. 198 junge Musiker treten an. Sir Peter Jonas sitzt der Streichquartett-Jury vor.
Es ist wieder soweit: Vom 1. bis 19. September wird der 57. ARD-Musikwettbewerb ausgetragen. 198 Musiker aus den Fächern Bratsche, Klarinette, Fagott und Streichquartett wetteifern um die 181500 Euro an Preisgeldern. Axel Linstädt, Leiter Bayern 4 Klassik und Künstlerischer Leiter des Wettbewerbs, spricht über Herausforderungen und Neuerungen.
AZ: Herr Linstädt, wie wählt man aus 461 Bewerbern 198 Teilnehmer?
AXEL LINSTÄDT: Jedes Fach hat eine Vorjury, die jeweils aus drei Mitgliedern besteht. Sie bewerten die eingereichten Demo-CDs, die Bewerber bleiben anonym. Wie beim Wettbewerb urteilen ausgewiesene Experten.
Was befähigt den ehemaligen Staatsopern-Intendanten Sir Peter Jonas, den Vorsitz der Streichquartett-Jury zu übernehmen?
Er ist ein Quartett-Liebhaber. Seine profunden musikalischen Kenntnisse muss ich hier nicht betonen. Es ist interessant, wenn es sich beim Vorsitzenden nicht um einen Spezialisten handelt. Das bereichert die Diskussion.
Diskutieren denn die Juroren ihre Urteile untereinander?
Ja sicher! Die Juroren urteilen zunächst mit Ja, Eventuell und Nein, die zweite Runde hat dann ein Punktesystem. Nach dem Semifinale findet ein Ranking statt. Das haben wir 2007 mit Erfolg eingeführt: Die Juroren legen die Reihenfolge der Sieger fest. Denn früher gab es Hemmungen, die höchste Punktzahl zu vergeben.
Dafür gibt es nun eine Inflation an ersten Preisen.
Es kann in vier Fächern vier erste Preise geben, was ist da inflationär? Wir werfen nicht mit ersten Preisen um uns. Aber wir möchten – wenn möglich – erste Preise vergeben und den Verzicht nicht zum Programm erklären. Vielleicht haben sich deswegen früher einige der Talentiertesten nicht beworben.
Weshalb nennt sich der Wettbewerb öffentlich, wenn die Juroren ihr Urteil nicht öffentlich begründen?
Weil sich erstens jeder bewerben kann, das Publikum zweitens zu allen Runden zugelassen ist und der Wettbewerb drittens von einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt veranstaltet wird. Natürlich wäre es wünschenswert, differenzierte Beurteilungen zu veröffentlichen. Aber das ist schwer realisierbar: Schon jetzt wird das Publikum nervös, wenn es zu lange warten muss. Nach den einzelnen Durchgängen stehen die Juroren den Wettbewerbern für ein Gespräch zur Verfügung.
Warum wurden Aufträge an Komponisten erteilt, die nur teilweise das heutige Schaffen repräsentieren?
Der ARD-Musikwettbewerb ist nicht die musica viva. Wir können lediglich versuchen, so etwas wie eine kleine Enzyklopädie des heutigen Komponierens zu präsentieren. Ich bin stolz, dass wir – neben Adriana Hölzky, Atar Arad und Martin Fröst – Rodion Schtschedrin gewinnen konnten und Freude mich sehr auf seine „Lyrischen Szenen“ für Streichquartett.
Wäre da der als Quartett-Komponist ausgewiesene Münchner Nikolaus Brass nicht eine bessere Wahl?
Sie haben Recht, die sind faszinierend. Nikolaus Brass, den ich sehr schätze, wäre durchaus eine Alternative gewesen. Aber man sollte beide nicht gegeneinander ausspielen. Im Übrigen war Brass in der vergangenen Saison in der musica viva vertreten.
Warum ist das Münchner Rundfunkorchester beim Wettbewerb nicht dabei?
Das wird kommen. 2009 begleitet es das Fach Gesang. Das Münchener Kammerorchester übernimmt Kontrabass und Geige, das Quatuor Ebène die Harfe. Finale und Schlusskonzert bestreitet das Symphonieorchester des BR. Und übrigens: 2011 kehrt endlich die Orgel zurück.
Marco Frei
Infos zu den Terminen öffentlicher Runden unter www.ard-musikwettbewerb.de