Kein Schwein ruft mich an
Der Flaneur preist die Freiheit des armen Poeten, der sich als Kolumnist verdingt
Hier kann ich schreiben, über was ich will. Diese Freiheit weiß ich zu schätzen. Ich fasse eine Sache ins Auge und schreibe darauf zu, egal, ob es um das Bergwandern geht oder um die Überalterung der Gesellschaft. Der kann ich komische Züge abgewinnen, wenn ich an den wöchentlich steigenden Altersdurchschnitt der herbstlichen Gipfelstürmer denke.
Kein Problem, wenn ich beim Schreiben vom Weg abkomme. Während meine Kollegen die Theateraufführung, die sie bewerten sollen, nicht fallen lassen können, um sich plötzlich über das Radrenndoping das Maul zu zerreißen, kann ich mir solche Sprünge erlauben. Es kommt allerdings vor, dass ich gegen das frei gewählte Thema verliere.
Schade, dass man als Autor nicht wie ein Fußballer Millionen wert ist. Mit dem reichen Spitzensportler aber hat der arme Poet nur gemein, dass die Kondition schwankend ist. Wie Schweinsteiger manchmal das Tor nicht trifft, so bringe ich meine Gedanken nicht immer auf den Punkt. Dann ärgere ich mich und hoffe, dass es nicht so auffällt. Kein Reporter fragt, warum ich nicht in Form war. Ich habe nicht Gelegenheit, vor der Nation noch schnaufend über das konfuse Verschenken von Chancen und meine mentale Befindlichkeit zu schwadronieren, Besserung zu geloben und dann wie ein Feldherr auszurufen, dass „man“ halt auch nur Mensch sei und nun nach vorn auf das nächste Spiel geblickt werden müsse.
Keine Rechtfertigungsgelegenheit danach – und auch vorher will keiner etwas von mir wissen. Ich bin als Kolumnenschreiber einfach nicht bedeutend genug. Kein CSU-Pressesprecher ruft an und fragt fürsorglich: Na, was schreiben wir denn heute Schönes? – und zwar so nett, dass ich ins Plaudern komme: Diesmal möchte ich mir ein SPD-regiertes Bayern und eine grünen Münchner OB ausmalen, schon damit uns die Baden-Württemberger Nachbarn nicht völlig die Schau stehlen, würde ich vielleicht antworten. Darauf sagt der glatt: Würde ich an Ihrer Stelle nicht tun. Könnte Diskussionen geben.
„Diskussionen" ist das Pressesprecherwort für den Ärger, den ich bekommen könnte. Will er damit andeuten, dass er die Macht hat, mir einen Hund an die Schwelle meiner Schreibstube zu setzen, der immer knurrt, wenn ich schreiben will, dass ich den Dobrindt für eklige Grinsqualle halte? Kein Schwein ruft mich an und will wissen, was ich schreibe. Und gibt mir Gelegenheit zu sagen: Das geht Sie einen Scheißdreck an!
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