Kein archetypischer Held

Der Tenor Lance Ryan singt am Sonntag seinen neunten Siegfried – in der Andreas Kriegenburgs Neuinszenierung des „Rings der Nibelungen”
Birgit Gotzes |
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Lance Ryan singt am Sonntag seinen neunten Siegfried – in der Kriegenburgschen Neuinszenierung des „Rings der Nibelungen”

Wie er so dasitzt, hellblaues Hemd mit Pullunder, dezent karierte Hose und goldgeknöpfter Blazer, würde man auf einen Engländer tippen. Lance Ryan ist Kanadier. Am Sonntag ist er in Andreas Kriegenburgs Neuinszenierung des „Rings” am Nationaltheater als Titelheld des Abends in seiner Paradepartie zu erleben: Siegfried. Es ist sein neunter.

AZ: Herr Ryan, wie steht es mit Ihren Schmiedekünsten?

LANCE RYAN: Damit kenne ich mich natürlich inzwischen aus. Es ist aber gar nicht so schwer. Ich muss beim Amboss bleiben. Das steht einfach in der Partitur.

Wie war Ihr erster Siegfried?

Eine Riesenherausforderung. Das war in Karlsruhe. Damals war mein einzige Gedanke: überleben. Ich war noch ziemlich jung und wusste, es ist vielleicht nicht so klug, das Risiko mit dieser Partie schon einzugehen. Dazu noch alles in deutsch! Aber ich habe meiner Stimme vertraut und das Theater hat mir sehr geholfen. Danach wusste ich, das geht, darauf kann ich aufbauen.

Die Partie gilt als extrem anstrengend, wie gehen Sie damit um?

Es stimmt, sie ist lang und sie fordert einen, physisch wie psychisch. Man muss richtig disponieren. Anfangs hatte ich immer im Hinterkopf, Achtung, hier zurücknehmen, hier Gas geben. Aber jetzt ist es wie Fahrradfahren, man muss nicht mehr nachdenken, man kann einschätzen, wieviel Kraft man braucht.

Wie oft kann man das singen?

Zwei Tage Pause zwischen zwei Aufführungen brauche ich. Von der Stimme her fühle ich mich umso besser, je älter ich werde. Natürlich singe ich weiter Strauss, französisches Repertoire, natürlich interessieren mich andere Wagner-Partien, die lyrischer sind, Stolzing, Lohengrin. Aber der Siegfried liegt mir jetzt sehr, und ich kann weiter nach Tristan und Parsifal schauen.

Wie halten Sie sich fit für die Partie?

Früher glaubte ich, man müsse richtig gesund sein, Sport treiben, Reserven haben. Aber jetzt finde ich es am wichtigsten, dass man sich wohl fühlt. Einfach ein gutes Maß in allem, meiner Stimme vertrauen und meine Schwächen einrechnen.

Aber nachher gibt es ein schönes Steak?

Nein, eher Pasta! Ich bin schon seit Jahren Veganer. Man braucht all diese Proteine nicht. Sowieso braucht man für den Siegfried nicht Kraft, sondern Ausdauer.

Ist es schwierig, ein unbekümmerter Haudrauf zu sein?

Ich muss ja kein Held sein, ich muss einen Helden singen!

Aber spielen. Was für ein Held ist dieser furchtlose Siegfried?

Siegfried fürchtet sich nicht, weil ihm niemand richtig erklären kann, was das ist. Er hat überhaupt keine Angst vor dem Scheitern. Er macht, was er will, und wenn es nicht klappt, ist es ihm auch egal.

Also eine ziemlich eindimensionale Figur?

Nein, im Gegenteil. Bei seinem ersten Auftritt ist er ungefähr 18, da fragt man sich: Wieso ist er so hart, manchmal unsympathisch. Ok, daran ist sicher auch Mimes seltsame Erziehung schuld. Siegfried ist aber kein archetypischer Held, da gibt es auch eine sehr empfindsame Seite, vor allem im zweiten Akt.

Und im dritten?

Mit Brünnhilde erlebt er etwas Neues. Ist das Furcht, ist es Liebe? Vorher fragt er sich: Woher komme ich, und jetzt: Wohin gehe ich? Und egal was passiert: Die küsse ich jetzt auf jeden Fall!

Mögen Sie die Partie?

Ja, es steht so viel bei Wagner, der Charakter ist ganz präzise, da hat man so viel Material. Das macht Spaß, das ist mehr als "No, no, principessa" in Puccinis "Turandot"! Und je älter ich werde, desto wohler fühle ich mich damit, auch wenn der Abstand zu einem so jungen Helden größer wird.

Dann sind Sie also ein furchtloser Siegfried?


Furcht hilft ja nicht. Man muss reinsteigen. Was passiert, passiert.

Premiere am So., 16 Uhr im Nationaltheater

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