Karibische Klang-Wurzeln

Spiritualität und Intellekt: Der aus Puerto Rico stammende Virtuose Miguel Zenón spielt aufregend neuen Jazz auf dem Altsaxofon.
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Spiritualität und Intellekt: Der aus Puerto Rico stammende Virtuose Miguel Zenón spielt aufregend neuen Jazz auf dem Altsaxofon.

Im April hat sich die jahrelange Plackerei endlich bezahlt gemacht: Da erhielt Miguel Zenón einen „Guggenheim Fellowship“ – eine Art Stipendium, das hochtalentierte Menschen aus allen Arbeitsbereichen mit großzügigen Fördermitteln ausstattet. Der aus Puerto Rico stammende Altsaxofon-Virtuose bekommt die Zuwendung, um ungestört an einer aufwändigeren Komposition arbeiten zu können. Wer ihn kennt, weiß, dass der Jazzmusiker, der an der Seite von David Sánchez und Charlie Haden oder als Ensemble-Mitglied des „SF Jazz Collective“ bekannt wurde, seit Jahren fast täglich Neues zu Papier bringt.

Auf manch einen mag es verbissen wirken, dass der 31-jährige permanent Notenblätter schwärzt, um musikalisch ein Stück weiter zu kommen. „Ich gehe ganz methodisch ans Komponieren. Ich nehme mir meine Schwächen vor, arbeite an Tempi, Metren, Tonarten, die mir nicht so liegen, oder an meinem Sound. Vieles kommt gar nicht zur Aufführung, sondern dient lediglich Übungszwecken.“

Das, was er dann doch der Öffentlichkeit anvertraut, gehört mit zum Aufregendsten, was der Jazz der letzten Jahre hervor gebracht hat. In formbewussten, kontrastreichen, nicht eben leicht aufgebauten und doch so locker dargebotenen Kompositionen wie auf seinem vierten Album „Awake“ (Marsalis Music/ Univeral) legt Zenón karibische Wurzeln frei und gibt Einflüsse preis, die von diversen Jazz-Stilen über das große Latein bis hin zur zeitgenössischen Klassik reichen.

Am Instrument zeigt er sich als grandioser Melodiker, der seine Gedanken zunächst mit einem ganz luftigen, fast schwerelosen, singenden Ton ausformuliert, der sich Takt für Takt mehr Schattierungen gönnt und schließlich eine fast beängstigende Intensität erreicht. Was als Luftsäule aus dem Trichter von Zenóns Altsaxofon steigt, verrät Spiritualität und scharfen Intellekt.

Es hätte vor ein paar Jahren nicht viel gefehlt, und die Musik hätte ihn an die Mathematik verloren. Heute versucht er, beides zu vereinen. „Ich begreife Musik auf eine sehr systematische und formelhafte Art,“ meint Miguel Zenón. „Natürlich muss es auch Raum für Feeling, Herz und Seele geben. Doch diese Aspekte fließen beim Musizieren automatisch mit ein. Um Musik besser zu verstehen, hat es mir immer geholfen, sie bis ins Detail zu analysieren, etwa so, wie man Formeln in der Mathematik auseinander nehmen würde. Vielleicht überstrapaziere ich die Systematik ein wenig, wenn ich komponiere oder an meinen Konzepten und meiner Spielweise arbeite. Aber keine Angst, ich muss in meine Musik nichts hineinzwingen."

Ssirus W. Pakzad

Unterfahrt (Einsteinstr. 42/ 44), Freitag, 21 Uhr

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