Kalkbrenner: Mehr feucht als fröhlich
Kunstkenner können sich beruhigt zurücklehnen. Sie haben in der U-Bahnhaltestelle Königsplatz kein nächtliches Happening verpasst. Dabei stapelten sich hunderte bunte Regencapes in der Wartehalle. Sie stammten von Ravern, die auf dem Heimweg vom Paul-Kalkbrenner-Konzert einfach ihren feuchten „Ballast” loswerden wollten. Jedoch wären wenige Stunden vorher noch einige Tanzwütige froh gewesen, wenn sie ein paar dieser Capes abbekommen hätten.
Denn trotz des angekündigten Schlechtwetters und 20000 verkaufter Tickets fragten viele Fans an den Verkaufsständen vergeblich nach dem passenden Poncho. Und das, obwohl der Billig-Regenschutz in der Regel nicht mehr als 2 Euro kostet und zum Festival-Standard gehört.
Aber was war schon „normal” an diesem Abend, als erstmals ein Techno-DJ den Königsplatz bespielen durfte, auch wenn an diesem Ort mit Geschichte behördlicherseits nur „anspruchsvolle Aufführungen” zugelassen sind. Für Kalkbrenner griff eine Ausnahmeregelung, die nächste folgt am 21. Juli, wenn David Guetta seinen Party-Elektrosound auflegt. Kalkbrenner, eigentlich gebürtiger Leipziger und Wahl-Berliner, verbindet jedoch tatsächlich eine große Liebe zu München. Der Star aus dem Film „Berlin Calling” füllte zuletzt nicht nur locker zweimal das Zenith, er outete sich öffentlich als HardcoreFan von Bayern München. Kein Wunder, dass Kalkbrenner um 22.20 Uhr zum Umziehen verschwand und unter Jubel im Bayern-Trikot zum Regentanz-Endspurt blies.
Aber während „Paule” rot wurde, sahen manche Fans rot. Denn Kalkbrenner verließ bei seinem dreistündigen Auftritt sein Mischpult mehr als nur einmal und stellte dabei auch noch die Musik ab. Eigentlich ein absolutes „No Go” im Electro-Bereich. Und auch sonst zeigte sich „Ickarus” absturzgefährdet. In der ersten Stunde verdrehte er sich an den Reglern und lieferte viel zu oft monotone Electro-Hausmannskost ohne anspruchsvolle Übergänge ab. Doch als der Regen stärker wurde, steigerte sich der wortlose, Jägermeister konsumierende Kettenraucher. Die Beats wurden zupackender, die Samples („Mad World”) gewitzter, die Stimmung besser. Auch das Motto: „Das Beste kommt zum Schluss” hatte der DJ verinnerlicht. Auf die Mitsing-Melancholie-Hymne „Sky and Sand” folgte der Tanz-Schrittmacher „Aaron” und ein krachend-kurzes Feuerwerk.
Der „Krach” kam bei den Anwohnern verständlicherweise weniger gut an. Bis nach Trudering konnte man das Gestampfe hören. Darüber hinaus gingen 235 Beschwerde-Anrufe bei der Einsatzzentrale der Polizei ein.
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