Kabarettist Christian Springer in unmöglicher Mission
Seine Obsession hat er nie verheimlicht. Schon in seinem ersten Kabarettprogramm „Sand in der Wasserpfeife“ hat der Münchner Christian Springer thematisiert, wie er auf eigene Faust den Nazi Alois Brunner in Syrien ausfindig machen wollte. Brunner war der Organisator für den Transport Zehntausender Juden in die Vernichtungslager. Adolf Eichmann nannte ihn „meinen besten Mann“.
In seinem erstaunlichen Buch „Nazi, komm raus!“ schildert Springer nun akribisch seine unglaubliche „Amateur-Fahndung“, die auch ein Schlaglicht auf die deutsche Nachkriegsgeschichte wirft. Wie war es überhaupt möglich, dass der angeblich so gesuchte Massenmörder in Syrien für deutsche Firmen arbeitete, die deutsche Botschaft aus seiner Sauerkraut-Produktion versorgte und wohl auch Geld aus Deutschland erhielt?
Viele Fragen bleiben wohl für immer ungeklärt, vor allem Brunners Verhältnis zum Bundesnachrichtendienst, da dort „bedauerlicherweise“ Mitte der Neunziger Jahre 581 Seiten Aktenmaterial zu Brunner vernichtet wurden. Man kennt das ja.
Während andere Menschen im Sommer Entspannung oder Vergnügen suchen, ist Springer schon als 22-Jähriger 1986 erstmals auf seiner unmöglichen Mission. Die „Bunte“ hatte Brunner 1985 in Syrien aufgespürt und gesprochen, der Artikel hatte nicht nur Springer aufgewühlt. Auch der israelische Botschafter Benjamin Netanjahu konnte es nicht fassen und präsentierte die „Bunte“ am Rednerpult während einer UNO-Vollversammlung. Syrien versteckte einen Massenmörder – und Christian Springer, Student der Semitistik an der Münchner LMU, suchte ihn auf eigene Faust.
Niemand weiß, wie lange Alois Brunner lebte
Offiziell gab es Brunner selbstverständlich nicht im Assad-Regime. Bis heute ist nicht bekannt, wann der 1912 Geborene überhaupt starb und wo er begraben wurde. Auch Springer bekam ihn auf seinen häufigen Reisen nach Syrien nie zu Gesicht, traf allerdings auf eine Menge Leute, die ihn kannten.
Seine keineswegs ungefährliche Mission im Polizeistaat Syrien trägt bisweilen die Züge einer grotesken Agentensatire: 00Springer fuhr mit seinem Käfer von München nach Syrien, ausgestattet mit einer Türkeikarte, die noch ein Zipfelchen Syrien enthält, und einem 1983 erschienenen Kunstreiseführer, der geschichtlich mit Syriens Unabhängigkeit im Jahr 1946 endet. Straßenkarten, Telefonbücher, Stadtpläne, das alles gab es für Privatpersonen noch nicht.
Erst der Bürgerkrieg in Syrien beendet Springers Obsession für die „viele Jahrzehnte unter den Teppich gekehrte Sauerei“. Es gibt nun Wichtigeres für den Kabarettisten als die Nazi-Gespensterjagd. Springer unterstützt mit seinem Verein „Orienthelfer“ syrische Flüchtlinge und sieht sein Buch als einen Appell, „nicht zu vergessen, den Opfern zu helfen und sich für Gerechtigkeit einzusetzen“.
Christian Springer: „Nazi, komm raus!“ (Langen Müller, 270 Seiten, 19.99 Euro)