Jüdischer Jahreswechsel: Mit Esprit den richtigen Ton getroffen
Prosit 5770: Jüdischer Jahreswechsel mit Jacques Offenbach beim Orchester Jakobsplatz
Hinter dem an Silvester unvermeidlichen „Guten Rutsch“ ins neue Jahr verbirgt sich das hebräische „Rosch ha-Schana“. Übersetzt heißt es „Anfang des Jahres“. Den feiern religiöse Juden jedoch nicht in der Glatteiszeit, sondern wegen des Mondkalenders an wechselnden Terminen im Herbst.
Heuer fiel der Jahreswechsel auf 5770 nach Erschaffung der Welt auf den 19. September. Mit seinem Neujahrskonzert war das Orchester Jakobsplatz trotzdem nicht zu spät dran: Traditionell folgt dem Feiertag noch eine musiklose, staade Zeit bis zum Versöhnungstag Yom Kippur.
Vor dem Hubert Burda Saal gab es die typischen, in Honig zu tauchenden Apfelschnitzel, drin Offenbach, dirigiert von Daniel Grossmann. Von der etwas unterentwickelten Kunst des Tempoübergangs in der Ouvertüre zur „Großherzogin von Gerolstein“ und dem rumpelnden Schluss des Vorspiels zur „Schönen Helena“ abgesehen, traf das Orchester mit warmem Streicherklang und viel Holzbläser-Esprit den ironisch trockenen Ton.
Die mädchenhafte Talia Or ist keine ideale Großherzogin, dafür aber eine Komödiantin, die auch im Konzert für Theater sorgt. Ungewöhnlich kultiviert sang der Tenor Rolf Simon, mehr polternd der Bariton Martin Danes. Ein Vergnügen war es trotzdem, und Grossmann scheint trotz finanzieller Widrigkeiten zu einer Wiederholung entschlossen.
Der riesige Werk-Katalog des in München leider viel zu wenig gespielten Offenbach reicht für etwa 1000 Konzerte, und die an Neujahr unerlässliche traditionelle Zugabe hat er auch schon gefunden: Was in Wien der Radetzky-Marsch, kann am Jakobsplatz der Can-Can aus „Orpheus in der Unterwelt“ werden.
RBR
Am 28.10. gastiert der Cellist Adrian Brendel mit Haydn beim Orchester Jakobsplatz. Karten unter Tel. 0180 5481818