José Mourinho: Die persönliche Biografie des Special One
Schwarz oder weiß, gut oder böse, Mou-Verehrer oder -Kritiker - manchmal lässt sich die Welt einfach einteilen. In Bezug auf den bekannten Fußballtrainer José Mourinho ist das der Fall. Oder etwa doch nicht? Dem geht eine Biographie von Julien Wolff über den Portugiesen nach. Versucht es zumindest.
Inzwischen kommt gefühlt jede Woche eine Fußballer- oder Trainer-Biografie auf den Büchermarkt. Oft fragt man sich: Was soll am Leben dieses Sportlers bitte lesenswert sein? Dass das bei einem der größten Zampanos des Weltfußballs nicht der Fall ist, ist unstrittig: Denn José Mário dos Santos Félix Mourinho, kurz José Mourinho, bietet genug Unterhaltung.
Durch seinen Charakter - und um zu dieser Erkenntnis zu kommen, bräuchte man das Buch von Julien Wolff nicht unbedingt -, unterhält Mourinho jedoch nicht nur, sondern polarisiert. Es entstehen Kategorien wie: Defensiv- oder Offensiv-Verfechter, Gentleman oder Rüpel, Fairplay oder dreckiges Spiel. Obwohl: Solche Einteilungen werden, wie Wolff in "José Mourinho. Die persönliche Biografie des Special One" zeigt, Mou nicht unbedingt gerecht.
Um es gleich vorwegzunehmen: Zu viel Begeisterung, zu wenig kritische Betrachtung sind einer ausgewogenen Biographie nie dienlich. Schade, dass das Wolff wohl nicht weiß. Der Autor arbeitet Widersprüche zwar hervor, interpretiert aber nur die Seite, die Mourinho in einem guten Licht erscheinen lässt. So liest man früh die Aussage, dass Mourinho "Respekt vor Kollegen" hätte. Danach geht es im weiteren Verlauf des Textes oft darum, dass er das wohl oft nicht hat. Wolff jedoch scheint seine eigenen Worte nicht richtig deuten zu können und lässt diesen Wiederspruch unkommentiert stehen. Ein Beispiel: Nach einem Spiel in seiner Zeit als Trainer von Real beschimpft er einen Schiedsrichter, der seiner Meinung nach gegen sein Team gepfiffen hat mit folgenden Worten: "Du Künstler! Du fickst die, die arbeiten. Du respektierst nicht die richtigen Profis..." Einordnung von Wolff? Nicht vorhanden. Dabei wäre hier deutliche Kritik gefragt. Aber das fällt schwer, wenn man den Gegenstand seines Buchprojekts zu sehr bewundert.
"Aftershave benutzt er nicht so gerne"
Wo man mehr Tiefe erwarten würde, liefert das Buch oft zu wenig. Oder an anderen Stellen landen Sätze im Text, die klingen als wären sie aus einem Schüleraufsatz kopiert: "An einem Tag geht Mourinho ins berühmte Kaufhaus Harrods und kauft eine Box voller Donuts." Das wird als Beleg dafür genommen, dass er das Leben in London genießt. Genauso trivial und redundant: "Aftershave benutzt er nicht so gerne." Des Weiteren fragt man sich, warum Wolff Produktplatzierungen in seinem Buch zulässt? Er nennt Automarken, obwohl diese nicht von Bedeutung sind, erwähnt den Firmennamen einer Luxustasche, obgleich das nichts Wichtiges transportiert.
An Selbstbewusstsein scheint es dem Portugiesen nicht zu mangeln. Das drückt schon sein Blick auf dem Buchcover aus. Foto:Riva VerlagSchade auch, dass er nicht mehr Bezug auf den Berufskollegen Pep Guardiola nimmt, ein kurzes Kapitel ist fast zu wenig. Beide gehören der gleichen Generation an, sind besessen vom Spiel, detailverliebt, Arbeitstiere. Mehr Gemeinsamkeiten als man zunächst vermuten würde, denn ansonsten heißt es bei Mou gegen Pep ja immer: destruktives Spiel vs. joga bonito. So gibt es viele Spieler, die bewusst zu Mourinho oder Guardiola wechseln, nicht unbedingt zu den Klubs, bei denen sie gerade tätig sind. Während Guardiola allerdings eher verschlossen auftritt, liebt sein Widerpart die Provokation. Setzt sie bewusst als Mittel ein. Auch und vor allem in der Zeit, in der Mourinho Real Madrid verantwortet, während Guardiola den FC Barcelona führt.
Mourinho und seine Mannschaft gegen den Rest der Welt
Schön hebt Wolff hervor, dass Spieler, die unter Mou trainiert haben, seine Ehrlichkeit und Fairness loben. Die Art, wie er auf sie eingehe. Was den Portugiesen fast schon sympathisch erscheinen lässt, denn verglichen damit ist Guardiola distanzierter im Umgang mit seinen Spielern, weniger am Mensch hinter dem Sportler interessiert. Psychologisch gesehen ist Mourinho zudem ein gutes Beispiel, wie man ein "Wir gegen Die"-Gefühl schafft. Er stellt sich immer vor sein Team, erwartet dafür aber Disziplin und dass ihm die Kicker bedingungslos folgen. Das alles ist nicht wirklich neu, wurde in den letzten Jahren in zahlreichen Artikeln über den Trainer oft genug herausgearbeitet.
Dennoch: Mourinho ist ein fähiger Trainer, vor allem ein guter Psychologe. "Happy wife, happy life", so einfach scheint Fußball manchmal zu sein. Denn der Trainer fordert "Spielerfrauen" dazu auf, das Leben ihrer Männer so angenehm wie möglich zu gestalten, damit sich diese voll und ganz auf den Fußball konzentrieren können. Psychologisch simpel, aber oft wirkungsvoll.
Sprachlich ist das Buch leider nicht auf Champions-League-Niveau, dazu wirken manche Informationen einfach nur deplatziert. In einem Halbexkurs über den ehemaligen Mou-Spieler Mesut Özil heißt es darauf bezogen, dass Özil an seiner Fitness gearbeitet hat: "Sein Oberkörper beeindruckt die Fans und Experten." Leider gibt es viele solcher Sätze, die man eher in einem Groschenroman vermuten würde. Mehr Niveau und Tiefgang haben Aussagen und Analysen wie, dass Mourinho nicht besessen sei, sondern detailverliebt. Eher Bruder als Vater für die Kicker. Oder, fast schon als Maxime über den Stil, den der Portugiese spielen lässt: "Das Spiel muss in seinen Augen nicht schön sein, es muss zielführend sein."
Nur etwas für Mou-Fans
Ein guter Trainer ist Mourinho also, ohne Frage. Zudem wäre ohne Figuren wie ihn die Fußball-Welt (noch) langweiliger. Farblose Typen gibt es genug in der Branche, in der inzwischen alles durchgeplant wird. Dennoch muss man sich fragen - sozusagen im Geiste von Pep Guardiola, einem seiner Antipoden: Heiligt der Zweck die Mittel? Darf man für den Sieg so ziemlich alles tun? Natürlich nicht. Aber viel. Und nur brav wäre auch langweilig.
Wobei wir wieder bei Wolffs Werk wären. Es langweilig auf Dauer. Zu viel Bewunderung für den Portugiesen, Anekdoten werden erzählt, die nicht von Relevanz sind, andere ausgedehnt ohne Sinn. Wieder andere nur angerissen, bei denen man als Leser doch gerne mehr erfahren hätte. Sprachlich- und stiltechnisch werden nur rudimentäre Ansprüche erfüllt. Ein Buch für Mourinho-Fans, die gerne einen weiteren Lobgesang auf ihr Idol lesen. Neutrale Fußball-Fans finden sicher bessere Trainer-Biografien.