Jonathan Franzen geht es wie dem Hund am Fahrrad

Der ehemalige Student Jonathan Franzen las in der überfüllten Aula der Uni und beantwortete vorsortierte Fragen seiner Leser
von  Abendzeitung

Der ehemalige Student Jonathan Franzen las in der überfüllten Aula der Uni und beantwortete vorsortierte Fragen seiner Leser

Nur wenigen Studenten gelingt eine so triumphale Rückkehr an ihre Universität. US-Autor Jonathan Franzen sprintet die Treppen auf die Bühne hoch und blickt auf die 900 Gäste in der ausverkauften Großen Aula der LMU.

„Es ist komisch auf der Bühne zu sein“, sagt er auf seine leicht schüchtern wirkende, aber überaus charmante Art. „Früher saß ich ganz weit hinten.“ Früher, das war vor drei Jahrzehnten, als Franzen einige Semester in München studierte. Nun gilt er als eine Art „Tolstoi des 21. Jahrhunderts“ und stellt in München seinen neuen Roman „Freiheit“ vor, 730 Seiten Leiden und Lieben einer amerikanischen Mittelstandsfamilie. Ein unwiderstehlicher Schmöker.

„Mir geht es mit der deutschen Sprache wie einem Hund auf dem Fahrrad“, kokettiert er und liest eine Dreiviertelstunde auf deutsch, unterbrochen von einer kleinen Beschwerde: „Das Licht ist nicht gut, aber meine Augen sind es auch nicht.“ Eine halbe Stunde später wird ihm doch noch eine kleine Lampe auf dem Tisch installiert.

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Was dann geschieht, hat Franzen schon auf der Buchmesse geahnt: „Ihr Deutschen seid so abstrakt!“ Zehn Fragen hat die SZ-Redaktion aus einem Leseraufruf herausgefiltert, die Redakteur Christian Mayer an Franzen weiterreicht. Schon die erste ist das übliche Co-Referat, das jeden Autor – egal in welcher Sprache – in die Verzweiflung treiben würde. Franzen umschifft höflich alle Klippen, weigert sich seinen „Freiheitsbegriff“ in wenigen Worten zusammenzufassen (dafür hat er ja schließlich 730 Seiten gebraucht!) und freut sich sichtlich, als er beantworten soll, als welcher Vogel er wiedergeboren werden möchte.

„Eine sehr gute Frage“, sagt der Hobbyornithologe und entscheidet sich für den Rohrsänger. „Der singt viel und ist kaum zu entdecken.“ Dass auch der neue Superstar der US-Literatur häufig lieber unsichtbar wäre, merkt man ihm an, immerhin habe er sich in den letzten Jahren nach dem Erfolg mit „Die Korrekturen“ eine ziemlich dicke Haut zugelegt, sagt er.

Zumindest den älteren Teil des Publikums hat Franzen ganz auf seiner Seite, als er nach e-books gefragt wird. „Sehe ich aus wie ein Mensch, der einen i-pad benutzt?“ Nein, Franzen hält ein kurzes Plädoyer für das gedruckte Buch, das er aber schon Minuten später innerlich verfluchen wird: Nach der Lesung verlängern Hunderte von Fans den Arbeitstag des messemüden Autors, der sein Autogramm in dieses faszinierend altmodische Medium setzten muss.

Volker Isfort

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