James macht die Wüste grün

"Ein Quantum Trost". So ist der neue Bond. Er säuft, grübelt und trauert – und findet in der unübersichtlichen Welt dochnoch den Unterschied zwischen Gut und Böse
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - "Ein Quantum Trost". So ist der neue Bond. Er säuft, grübelt und trauert – und findet in der unübersichtlichen Welt dochnoch den Unterschied zwischen Gut und Böse

So schnell ist auch 007 nicht. Die Abfolge der globalen Krisen geht ja derart zackzack heutzutage, dass die aktuelle Frage ihrer Beantwortung harren muss: Kann James Bond auch die Finanzkrise lösen? Zwar drängt die Zeit, aber wir müssen uns gedulden. Also schön der Reihe nach: Erstmal ist die Öko-Krise dran, und die wird bewältigt – wenigstens ansatzweise: Mit CO2-Schleuder Aston Martin und Brennstoffzelle, mit rußendem Flugzeug und nichtrauchendem Colt macht James seine Sache gut.

Am Ende, da kann man sicher sein, haben die Indios auf dem Hochplateau der Anden wieder ihr Wasser, das sie zum Leben brauchen und das der Bösewicht (Mathieu Almaric) in unterirdischen Reservoirs zurückhält. James Bond, der Öko-Held: Er macht die Wüste grün. Wär doch gelacht.

„Ein Quantum Trost“, der heiß erwartete neue Bond mit dem komischen Titel, wurde am Mittwoch in München vorgestellt. Kinostart ist am 6. November, und er wird eine Überraschung sein für viele Bond-Fans. Auch für die, denen die typische Reihung von Technik-Spielchen, Verfolgungsjagden und atemberaubendem Feuerzauber stets ein Höhepunkt von Comedy war.

Die Chefin kann seinen "unbändigen Hass" gar nicht gutheißen

Natürlich: Auch in seinem zweiten Einsatz im Dienste ihrer Majestät übersteht Daniel Craig alle Duelle zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Er bleibt siegreich in jedem Gefährt vom Hafenkahn in der Karibik bis zum Sportwagen am Gardasee, sogar einen Rosinenbomber führt er glorreich in den Luftkampf mit einem feigen Kampfflieger.

Und doch sind die Zeiten des unverwundbaren, super-smarten Actionhelden vorbei. Er ist sexy, kriegt auch ’ne Frau rum. Aber James ist tief verletzt. Er leidet und säuft und grübelt, ja er hat sogar Zeit, den Tod eines Freundes zu betrauern, den er in die Sache reingezogen hat. Gefühlte 15 Sekunden lang ist der Zuschauer überrascht über diesen menschlichen Moment, dann wirft Bond den Ex-Kollegen in die Mülltonne in Boliviens Hauptstadt La Paz: „Es wäre ihm egal“, sagt Bond zu seinem entsetzten „Girl“.

Camille heißt sie diesmal. Olga Kurylenko spielt die bolivianische Geheimagentin, sie jagt den Mörder ihrer Eltern und den Peiniger ihrer Familie. Der ist böser Ex-Obrist und will zurück an die Macht im Andenstaat, mit Hilfe des sinistren Dominic Greene (Almaric). Der gibt sich als Öko-Aktivist und ist in Wahrheit doch ein mieser Menschheitsverderber: „Wollen Sie wirklich noch einen Kommunisten, der seinem Volk die Rohstoffe zurückgibt“, fragt er diabolisch den US-Geheimdienstler beim Bourbon on the Rocks. Und die zwiespältigen Amis können sich der Logik nicht entziehen. Sie haben schließlich im Nahen Osten genug zu tun.

Mit dieser Allianz macht sich Greene daran, das Hoch-Land zu destabilisieren, und sich die Rohstoffe, vor allem das Wasser der Wüste, zu sichern. Die Welt ist noch immer böse und schwer zu durchschauen, zumal eine mysteriöse Organisation das Betriebsklima bei Bonds Arbeitgeber MI6 mit Desinformation, Sabotage und Mord stört.

Gegen eine unübersichtliche Allianz der Böswilligen

Es braucht den ganzen Bond, um die Koalition der Böswilligen zu sprengen. Doch leider, James ist nicht ganz bei sich. „Sie sind voll unbändigem Hass“ sagt ihm „M“, die Chefin (erneut großartig: Judi Dench). Bond trauert Vesper nach, in die er sich im Vorgänger „Casino Royale“ unprofessionellerweise verliebt hatte, und die ihm unter den Trümmern eines venezianischen Palastes verschütt’ gegangen ist.

Bond kann persönliche Motive bei der Arbeit nicht ausschließen, und er macht von seiner Lizenz zum Töten reichlich Gebrauch: „M“ jedenfalls findet es übertrieben, dass ihr Agent „jede Spur umbringt, die uns weiter helfen könnte“.

Aber Bond ist kein blöder Killer, und die Szene, wie er die Geheimkonferenz der bösen Jungs im Auditorium der Bregenzer Festspiele sprengt, hat Stil und Witz. Das tröstet über den ansonsten sparsamen Einsatz von Technik hinweg (Technik-Guru „Q“ kommt gar nicht vor).

An „Casino Royale“, den erfolgreichsten Bond aller Zeiten, wollen die Produzenten Michael Wilson und Barbara Broccoli anknüpfen. Der in Deutschland geborene Regisseur Marc Forster gibt sich alle Mühe, den Übermenschen zum Menschen und nicht zum Unmenschen zu machen. Dass die Bond-Figur zwischen diesen Facetten schillert, macht den Craig-007 zum Gewinn – nicht nur für die bolivianischen Bauern.

Matthias Maus

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