Ist die schwarze Prawda Bayernkurier am Ende?
Beim „Bayernkurier“ fliegen hinter den Kulissen die Fetzen. Das Verhältnis von CSU-Generalsekretär Dobrindt und Chefredakteur Peter Hausmann gilt als zerrüttet. Die Parteizeitung soll abgeschafft werden
Nur noch Männer über 60 Jahre, die auf dem Lande leben, blättern ihn jede Woche 30 Minuten durch. Das lässt sich die CSU richtig was kosten. Mit rund 1,2 Millionen Euro jährlich erhält sie ihr Parteiorgan, den „Bayernkurier“, mit seinen noch knapp 62000 Exemplaren am Leben. Ein dicker Brocken für eine Partei, die nach ihren Wahlverlusten kräftig sparen muss. Auch der „Bayernkurier“ ist in die Jahre gekommen. Am 3. Juni feierte er seinen 60. Geburtstag. Das Jubiläums-Jahr droht nun zu seinem Todesjahr zu werden. Damit könnte ihm das gleiche Schicksal ereilen, wie dem „Rheinischen Merkur“. Der Kölner Bischof und seine Glaubensbrüder haben keine Lust mehr, Millionen in das siechende Blatt zu pumpen.
Viele in der CSU würden auch die weiß-blaue Prawda lieber beerdigen. Nicht nur wegen der Kosten. Hinter den Kulissen fliegen in der Landesleitung die Fetzen. Das Verhältnis zwischen Generalsekretär Alexander Dobrindt und Chefredakteur Peter Hausmann gilt als völlig zerrüttet. Hausmann ist Vollblut-Journalist, war jahrelang erfolgreicher CSU-Sprecher von Theo Waigel und Regierungssprecher von Kanzler Helmut Kohl. Ex-CSU-Chef Erwin Huber hatte ihn 2008 als Chefredakteur geholt. Von Dobrindt lässt sich Hausmann nicht dreinreden. Deshalb habe ihn der CSU-General kürzlich rauswerfen wollen, heißt es in der Parteizentrale. Dazu aber habe er keine Kompetenz. Hausmann befindet sich derzeit im Urlaub.
Beim Geld verstehen die Schwarzen keinen Spaß
„Aufwand und Nutzen des ,Bayernkuriers’ stehen in keinem vernünftigen Verhältnis“, kritisiert Alexander König, der Kreisvorsitzende Hof-Land und Mitglied des Fraktionsvorstandes der CSU im bayerischen Landtag. Auf dem Parteitag Ende Oktober will er die Einstellung des „Bayernkuriers“ beantragen.
Auslöser für den möglichen Todesstoß ist die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge bei den Christsozialen. Die CSU-Spitze will ihre rund 160000 Mitglieder zur Kasse bitten. Der Beitrag soll von bisher 50 Euro jährlich auf 62 Euro erhöht werden. Ausgenommen davon sind Schüler und Rentner. Letztere aber sind gerade die Leser des „Bayernkuriers“. Und auch dort bekommen sie einen Bonus: 40 Euro für ein Jahres-Abonnement, statt 75 Euro. Das stinkt manchem CSUler. Nach Ansicht der „Bayernkurier“-Kritiker könnte die Partei locker an ihrer Zeitung sparen, zumal die sonst eh keiner mehr in der CSU liest.
Doch der „Bayernkurier“ ist für die CSU eine Monstranz, die sie seit sechs Jahrzehnten vor sich her trägt: Franz Josef Strauß steht als „Gründungsherausgeber“ im Impressum Zum 40. Geburtstag des Bayernkuriers schrieb Strauß-Nachfolger Theo Waigel: „Seine Freunde schätzen ihn, seine Gegner beachten ihn, seine Feinde fürchten ihn.“ Das allerdings ist Geschichte.
Scharnagel - der Schatten von FJS
Dabei machte das Zentralorgan selbst Geschichte. Am 1. Januar 1978 hatte FJS Wilfried Scharnagel zum Chefredakteur berufen. Der Mann mit der mächtigen Statur wurde sein wichtigster Berater – und so interessant, dass die Stasi die Gespräche der beiden abhörte. Was sie dabei erfuhren? „Scharnagel schreibt, was ich denke, und ich denke, was Scharnagel schreibt“, beschrieb Strauß die Symbiose. Scharnagel wurde sein Ego – und der „Bayernkurier“ sein Lebenswerk. Der erzkonservative Scharnagel brachte es zu einem der allmächtigsten Männer in der CSU und sagte der Partei, wo es lang geht, obwohl er kein politisches Mandat hatte. Dafür wurde er fürstlich entlohnt und bekam genauso viel wie der Ministerpräsident.
Schon unter seiner Führung kam der „Bayernkurier“ in Bedrängnis. Scharnagel aber konnte alle Angriffe abwehren. „Der weiß zuviel“, beschreiben Parteiinsider seine Macht. Immer wieder gab es den Verdacht, der „Bayernkurier“ werde als Geldwaschanlage für Spenden aus Schwarzgeldern genutzt. In den 80er Jahren interessierte sich die Staatsanwaltschaft dafür. Auf Druck der bayerischen CSU-Regierung aber wurden die Ermittlungen gleich eingestellt.
Immer wieder hat die CSU versucht, den „Bayernkurier“ aufzupäppeln. Ende der 90er Jahre stieg die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“) ein. Dann kam die Zeitungskrise und die „FAZ“ verabschiedete sich nach drei Jahren wieder. Scharnagel schweigt zu seinem Lebenswerk. „Ich äußere mich dazu nicht“, sagte er auf der CSU-Klausur in Banz zur AZ. Die Partei-Zentrale gibt sich bedeckt: „Der Antrag wird wie alle Anträge zum Parteitag von der Antragskommission behandelt.“
Angela Böhm