Isabelle Faust spielt Telemann

Er hat keine "Kunst der Fuge" hinterlassen, kein "Musikalisches Opfer" und auch keinen "Messias". Georg Philipp Telemann tritt nur sehr selten aus dem Schatten von Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel, was angesichts seiner durchwegs originellen Opern ziemlich schade ist. Aber seiner eher galant-unterhaltsamen Musik fehlt es etwas an dem, was der Deutsche früher "Tiefe" nannte. Und das Publikum pflegt - wie bei notorisch vernachlässigten Mozart-Zeitgenossen - immer alles an den Großmeistern zu messen.
Die Akademie für Alte Musik Berlin beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Telemann. Auch die Geigerin Isabelle Faust scheint ihn ebenfalls zu schätzen. Gemeinsam wagten sie im leider nur maßvoll besuchten Herkulessaal der Residenz einen Blick in sein Instrumentalwerk, das angesichts von 100 und mehr Konzerten naturgemäß kursorisch bleiben musste.
Die Akademie für Alte Musik spielte mit Barockbögen, die in der Mitte platzierte Solistin ebenfalls. Isabelle Faust verstand sich als Primaria inter pares, als lustvoll-beschwingte Ober-Konzertmeisterin neben dem Konzertmeister Bernhard Forck. Sie wirkte nicht nur in den Solo-Konzerten mit, sondern auch in einer Triosonate, einem Quintett und der hübschen Suite in h-moll, mit der das Konzert vielleicht etwas rhythmisch zu samtpfötig begann. In der furiosen "Rodomontade" hatten sich die Musikerinnen und Musiker dann aber freigespielt.
Eines der Konzerte begann mit einem langsamen Satz und steigerte sich im Tempo zum Presto - was es weder bei Bach noch bei Händel gibt. Eine Triosonate führte Telemanns stilistische Vielseitigkeit und seine Anverwandlung italienischer Muster vor. In den beiden Stücken mit Trompete spielte sich die Solistin Ute Hartwich mit brillanter Diskretion gegenüber der Solo-Violine nicht in den Vordergrund.
Die Akademie für Alte Musik bevorzugt einen dunklen, aber nicht basslastigen Klang. Das bildet einen reizvollen Kontrast zur silbrigen Virtuosität von Isabelle Faust - auch im Zusammenspiel mit Bernhard Forck, der in einem Doppelkonzert die höhere Lage übernahm. Und es ist erstaunlich, wie stilistisch vielseitig die Geigerin zwischen eher sperrigen modernen Konzerten und Barockmusik hin- und herwandelt.
Auch Telemanns Liebe zur Groteske und zur Programmmusik kam zu ihrem Recht: mit quakenden Fröschen im Konzert "Die Relinge". Telemanns Trompetenkonzerte mögen nicht mit dem zweiten Brandenburgischen Konzert mithalten können. Für eine "Wassermusik" reicht es aber auf jeden Fall. Und die gäbe es unter Telemanns über 3500 Werken tatsächlich auch - eine Suite, die vom Konzertbetrieb erst noch zu entdecken ist, obwohl sie zu seinen bekannteren Werken gehört.