Is ja joot jejange
Ortstermin in einem Fotostudio in Thalkirchen. Wolfgang Niedecken ist oft in München, wo er seine Frau Tina kennenlernte. Am 8. Mai liest (und singt) er im Lustspielhaus aus seiner Autobiographie „Für ne Moment”.
AZ: Herr Niedecken, am Mittwoch werden Sie 60 Jahre. Sie feiern auf einem Kölner Rheindampfer, stellen Ihr Album „Halv su wild” vor, haben eine Autobiographie „Für ’ne Moment” veröffentlicht. Schauen Sie jetzt eher zurück – oder geht da noch was?
WOLFGANG NIEDECKEN: Wenn du 60 wirst, blickst du ja auf sechs Jahrzehnte Erfahrung zurück. Das ist eine wunderbare Grundlage – für die Zukunft. Ich bin mit BAP weit davon entfernt, mich nur mit meiner Vergangenheit ausein-anderzusetzen. BAP ist eine sehr vitale Band.
Sie machen seit 35 Jahren Musik. „Halv su wild” ist Ihr 17. Studio-Album mit BAP.
Wir sind ja eine Band, die sich immer wieder erneuert hat. Zehn unserer 16 Alben waren Nummer-1-Alben, Wir sind immer im Jetzt. Ich blicke da auch in Demut zurück. Wer hätte gedacht, dass aus diesem Schulabbrecher mal was werden sollte. Mein Vater stand oft ratlos da und hatte seine Ängste: „Jong, wie willste denn davon leben?” Mein Motto damals: Ist doch egal, womit ich kein Geld verdiene.
In Ihrer Autobiographie beschreiben Sie, wie Ihr Vater, konservativ, Kaufmann, Lebensmittelhändler, mit dem Lebensweg seines Sohnes wenig anfangen konnte. Sie haben ihm nach seinem Tod sogar Ihr berühmtestes Lied gewidmet, „Verdamp lang her”. Wie würde Ihr Vater heute auf Ihr Werk blicken?
Ihm würde das immer noch nicht gefallen. Seine musikalischen Vorstellungen waren anders – er fand es immer schöner, wenn hübsche Frauen singen, nicht so zottelige Kerle. Und meine politische Einstellung würde ihm auch heute nicht passen. Aber: Er wäre beruhigt. Und er würde wohl sagen: Is ja joot jejange.
War Rockmusik für Sie auch eine Rebellion gegen das konservative Elternhaus?
Nein. Spätestens seit ich studieren durfte, was ich wollte, Kunst, war ich immer nur bemüht, meinem Vater die Angst zu nehmen. Ich weiß noch, wie verunsichert er in meinem Atelier stand, sich meine experimentellen Bilder anguckte und sagte: „Kannste eigentlich auch’n Pferd malen?” Ich wollte ihm nie zeigen, wo der Hammer hängt. Der Major – der frühere BAP-Gitarrist Klaus Heuser - hat sich vom ersten Geld, das wir mit BAP verdienten, genau das Auto gekauft, von dem sein Vater nur geträumt hat. Um’s ihm zu zeigen. Ich hätte sowas nie gebracht.
Die zähe musikalische Auseinandersetzung mit Klaus Heuser zieht sich auch durch Ihr Buch. Sie beschreiben, wie Sie bei den Aufnahmen zu „Ahl Männer, aalglatt” im Bogenhausener Sheraton-Hotel gelitten haben, weil der Major aus BAP eine internationale Pop-Band machen wollte.
Es lagen schon zwei Songs auf englisch vor. Wenn ich das gemacht hätte, wäre das das Ende gewesen. Ich bin vielleicht zu lange auf dieses hehre Ziel der basisdemokratischen Band reingefallen. Ich hätte früher sagen sollen: Wenn ihr das wollt, sucht euch ’nen neuen Sänger und ’nen neuen Bandnamen. Internationale Radiopopmucke? Nicht mit mir! Es war nur konsequent, dass der Major irgendwann gesagt hat: Es geht nicht mehr – das, was ich will, ist mit dir nicht zu machen.
Sie haben sich das Kölsche bewahrt. Einen Dialekt, der vom Aussterben bedroht ist.
Es ist schade, aber ich werd’s nicht ändern können. Ich kann’s mit meinem Mitteln ein bisschen rauszögern, mehr nicht. Und BAP ist ja auch kein Mundartbewahrungsverein. Ich singe kölsch, weil das die Sprache ist, mit der ich aufgewachsen bin. Ich rede kölsch, ich denke kölsch und ich wahrscheinlich träume ich auch kölsch.
Jetzt werden Sie 60. Wie lange geht’s denn nun mit Ihnen und BAP noch weiter?
Solange es die Konstitution ermöglicht. Ich seh’ da echt kein Ende. Ich seh’ nicht mal, dass ich mir darüber Gedanken machen müsste. Noch 10 Jahre, 15 oder 20? Ist doch egal. Seit ich BB King live gesehen habe, weiß ich: Geht alles. Zur Not sitzt du halt aufm Barhocker. Hauptsache, du kommst nicht als Berufsjugendlicher rüber – aber keine Angst: Das wird bei mir nie der Fall sein.
- Themen: