Intuition und zartes Fluten

Der konzertante „Rosenkavalier“ am Freitag im Gasteig ist seit langem ausverkauft. Wer keine Karte hat, kann sich mit der neuen Strauss-CD von Renée Fleming und Christian Thielemann trösten
von  Abendzeitung

Der konzertante „Rosenkavalier“ am Freitag im Gasteig ist seit langem ausverkauft. Wer keine Karte hat, kann sich mit der neuen Strauss-CD von Renée Fleming und Christian Thielemann trösten

Im April 2008 stöberte der Verfasser dieser Zeilen nach den „Vier letzten Liedern“ mit Renée Fleming und den Münchner Philharmonikern im Gasteig bei YouTube herum. Er entdeckte ein Video der Sängerin mit dem Houston Symphony Orchestra unter Christoph Eschenbach. Aus dem Laptop strömten viele Details dieser überwältigend schönen Spätromantik, die der gesangsfeindliche Riesenraum am Isarhochufer grausam verschluckt hatte.

Nun ist gewiss, dass die Ahnung zart flutender Töne nicht trog. Der nun veröffentlichte Mitschnitt übertrifft die hochgelobte, vor 13 Jahren entstandene Aufnahme aus den USA, weil sich die dunkler gewordene Stimme der Sängerin noch besser mit dem Burgunder-Ton der Philharmoniker mischt. Als kunstvolle und zugleich natürliche Gestalterin zart gewebter, mit heiklen Sprüngen und Aufschwüngen garnierten Melodiebögen ist die 49-Jährige ohnehin konkurrenzlos.

Meisterkurse als quälend erlebt

Renée Fleming mag die beiden Platten nicht vergleichen. „Das ist Ihre Aufgabe. Ich höre mir meine Aufnahmen nach der Produktion nicht mehr an.“ Wenn sie Lust auf Strauss hat, greift Renée Fleming am liebsten zu Maria Reining oder der silbern-weiblichen Stimme von Lisa della Casa. Auch die Schwarzkopf schätzt sie, obwohl sie ihre Meisterkurse als quälend erlebte.

Live ist bei diesen Liedern und Szenen von Richard Strauss aus der Philharmonie im Gasteig auch wirklich live. „Wir haben die Aufnahme nur durchgehört. Thielemann wollte keine Schnitte.“ Seine Tempi sind flüssiger als die von Eschenbach: „Er wollte die Musik unsentimental, nicht zu langsam und vor allem nicht traurig.“ Beim letzten Lied ließ sich Renée Fleming überzeugen, dass Eichendorffs Frage „Wir sind wandermüde – Ist dies etwa der Tod?“ auch eine heiter-optimistische Antwort zulässt.

"Die Rolle wächst mit ihrer Interpretin"

Mit Thielemann hatte die Sängerin zuvor nur im Jahr 2000 bei einem „Rosenkavalier“ im Londoner Covent Garden zusammengearbeitet. Danach ließ sie die Marschallin bis zur Baden-Badener Aufführung vor zwei Wochen ruhen: „Ich wollte durch Verdis Violetta und Massenets Manon meine Höhe bewahren. Der Marschallin schadet eine Pause nicht: Die Rolle wächst mit ihrer Interpretin.“

Aber es wird gewiss nicht die letzte Zusammenarbeit mit Thielemann bleiben: „Wir verstehen uns intuitiv. Er begleitet sensibel und fein.“ Was genau auf den „Rosenkavalier“ folgt, verrät die diskrete Sängerin nicht. Aber dass sie auch mit der Staatsoper verhandelt, entschlüpft ihr dann doch.

Robert Braunmüller

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